Rechtsprechung

Ablehnungsgesuche gegen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit als unzulässig und rechtsmissbräuchlich

Bundesgerichtshof, VIII-ZB-7/19

Beschluss vom 04.06.2019

Orientierungssatz:

Von der Erstellung eines Orientierungssatzes wurde abgesehen.

Gründe:

1

Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat den Antrag des Klägers auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen mit Beschluss vom 30. November 2018 zurückgewiesen. Das Landgericht Hamburg hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 11. Januar 2019 als unzulässig verworfen. Das Oberlandesgericht Hamburg hat die gegen den letztgenannten Beschluss gerichteten Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines als „Revision (§ 542 ZPO)“ bezeichneten Rechtsmittels und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts mit Beschluss vom 29. Januar 2019 zurückgewiesen.

2

Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben, die er als „Klage (§ 253 ZPO)“ und „Revision (§ 542 ZPO)“ bezeichnet hat, beantragt, der Bundesgerichtshof möge die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 30. November 2018 sowie des Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Januar 2019 aufheben sowie ihm für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts bewilligen.

3

Der Senat hat die beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts mit Beschlüssen vom 20. März 2019 mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung versagt.

4

Mit dem für beide Verfahren gleichlautenden Schriftsatz vom 25. März 2019 hat der Kläger nun „Anhörungsrüge (§ 321a ZPO)“ sowie „sofortige Beschwerde gemäß § 567 ZPO“ eingelegt und beantragt, die vorgenannten Senatsbeschlüsse vom 20. März 2019 aufzuheben, gegebenenfalls auferlegte Verfahrenskosten niederzuschlagen sowie die Streitverkündung an die Drittschuldnerin und „erneut die Klageänderung (§ 263 ZPO)“ vorzunehmen. Außerdem hat der Kläger die an den vorgenannten Senatsbeschlüssen beteiligten Richter gemäß § 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

II.

5

Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen die Vorsitzende Richterin Dr. Milger sowie die Richter Dr. Schneider, Dr. Bünger, Kosziol und Dr. Schmidt sind – und zwar unter Mitwirkung dieser Richter, soweit diese nach der Geschäftsverteilung des Senats zur Entscheidung berufen sind – als unzulässig zu verwerfen.

6

Grundsätzlich entscheidet über ein Ablehnungsgesuch zwar das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, ohne dessen Mitwirkung (§ 45 Abs. 1 ZPO). Aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens ist der abgelehnte Richter in klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs aber zur Vermeidung eines aufwendigen und zeitraubenden Ablehnungsverfahrens an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert. Denn bei eindeutig unzulässigen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen setzt die Prüfung des Ablehnungsgesuchs keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraus und stellt mithin auch keine echte Entscheidung in eigener Sache dar.

7

Ein Ablehnungsgesuch, das – rein formal betrachtet – zwar eine Begründung für eine angebliche Befangenheit enthält, dessen Begründung aber aus zwingenden rechtlichen Gründen – ohne nähere sachliche Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls – ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens und das Verhalten des abgelehnten Richters nicht erfordert, ist zur Begründung der Besorgnis einer Befangenheit grundsätzlich ungeeignet und steht einem von vornherein unzulässigen Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes gleich. Darüber kann deshalb abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO das Gericht unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 4. September 2018 – VIII ZR 127/17, juris Rn. 1 ff.; vom 25. Januar 2016 – I ZB 15/15, juris Rn. 4 f.; jeweils mwN).

8

So liegt der Fall hier. Objektive Gründe, die geeignet erscheinen könnten, vom Standpunkt des Klägers bei vernünftiger Betrachtung aller Umstände die Befürchtung zu wecken, die abgelehnten Richter hätten der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenübergestanden, sind vom Kläger weder aufgezeigt noch sonst erkennbar. Vielmehr sind die vom Kläger bei dem Bundesgerichtshof eingelegten Rechtsmittel bereits offensichtlich unstatthaft. Jeder andere Richter hätte deshalb in der gegebenen Verfahrenslage allein schon angesichts des fehlenden Wertungsspielraums zwingend zu demselben Ergebnis wie die vom Kläger abgelehnten Richter gelangen und die beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO wegen Fehlens der erforderlichen Erfolgsaussicht versagen müssen, ohne dass er darüber hinaus auf den Gegenstand des Verfahrens hätte eingehen müssen oder dass es sonst einer inhaltlichen Betrachtung der Umstände des Einzelfalls bedurft hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Juli 2016 – VIII ZA 32/15, juris Rn. 4).

9

Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthaften und innerhalb der Frist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegten Anhörungsrügen gegen die Senatsbeschlüsse vom 20. März 2019 sind als unzulässig zu verwerfen, weil es an der gesetzlich vorgeschriebenen Darlegung einer neuen eigenständigen und entscheidungserheblichen Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG) durch den Senat fehlt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2017 – VIII ZR 14/16, juris Rn. 1 mwN). Die „sofortige Beschwerden“ sind nicht statthaft und bereits aus diesem Grund als unzulässig zu verwerfen.

10

Die weiteren, auf Streitverkündung und Klageänderung gerichteten, Anträge des Klägers sind – unabhängig davon, dass der Bundesgerichtshof hierfür nicht zuständig ist – bereits wegen Beendigung des Verfahrens gegenstandslos.

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