Abweisung der Arzthaftungsklage wegen eines nicht vorwerfbaren Diagnoseirrtums
Brandenburgisches Oberlandesgericht, 12-U-39/18
Urteil vom 25.04.2019
Orientierungssatz:
Es stellt einen nicht vorwerfbaren Diagnoseirrtum und nicht etwa einen Befunderhebungsfehler dar, wenn in einem Krankenhaus bei linksseitigen Schmerzen des Patienten eine Behandlung mit der Verdachtsdiagnose „Opstipation“ erfolgt und ein – dem gegenüber wesentlich seltenerer – Niereninfakt nicht diagnostiziert wird.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Krankenhaus Zahlung von Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden, die ihr anlässlich einer ärztlichen Behandlung in der Zeit vom 19.7.2013 bis 30.7.2013 entstanden sein sollen.
Am 19.7.2013 stellte sich die Klägerin bei der Beklagten mit linksseitigen Schmerzen vor. Die Behandlung erfolgte zunächst mit der Verdachtsdiagnose „Obstipation“. Aufgrund der Zunahme der Schmerzen und erfolgtem Stuhlgang wurde am 21.7.2013 ein CT durchgeführt und ein älterer Niereninfarkt diagnostiziert.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13.11.2018 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 5.000 € Schmerzensgeld verurteilt und die Ersatzpflicht für die aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung in der Zeit vom 19.7.2013 bis zum 30.7.2013 resultierenden, in Zukunft entstehenden materiellen und immateriellen Schäden festgestellt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es – sachverständig beraten – ausgeführt, aufgrund der Diagnostik und Anamnese sei mit Blick auf den im Gegensatz zum Nierenversagen häufig anzutreffenden Darmverschluss die zunächst getroffene Diagnose „Obstipation“ zwar fehlerhaft. Sie stelle aber keinen Behandlungsfehler dar. Erst mit Zunahme der Schmerzen und erfolgtem Stuhlgang im Verlaufe des 20.07.2013 hätte nach medizinischem Standard ein CT durchgeführt werden müssen. Das Unterlassen stelle indes nur einen einfachen Behandlungsfehler dar, der sich wegen der aufgrund des Ablaufes des Zeitfensters von 3 Stunden nach dem Niereninfarkt nicht mehr erfolgversprechenden und im Off-Label-Use-Bereich bewegenden Lysebehandlung nicht weiter ausgewirkt habe. Auch die Gabe von Heparin bereits am 20.07.2013 hätte die Nierenwerte nicht verbessert. Als grober Behandlungsfehler sei hingegen die nach dem CT am 21.07.2013 und der Feststellung eines älteren Niereninfarkts fehlerhaft zu geringe Dosierung des Medikamentes Clexane und die Nichtgabe des Heparin-Bolus gewesen. Diese hätte zwar eine vollständige Genesung der Niere nicht mehr bewirken können. Es sei aber die Erhaltung weiterer Funktionen der Niere nicht auszuschließen.
Da eine Vielzahl der von der Klägerin geschilderten täglichen Beeinträchtigungen und Schmerzen nicht auf den Funktionsverlust der linken Niere und mithin auf die Behandlungsfehler zurückgeführt werden könnten, wäre ein Schmerzensgeld lediglich i.H.v. 5.000 € angemessen. Der Feststellungsantrag sei begründet, weil weitere Schäden, insbesondere eine spätere Dialyse nicht ausgeschlossen werden könnten.
Im Weiteren wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Gegen das am 12.02.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.02.2018 Berufung eingelegt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 14.05.2018 begründet. Sie führt aus, bei der Bewertung der am 19.07.2013 getroffenen Verdachtsdiagnose eines Subileus seien das Landgericht wie auch der Sachverständige von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die Klägerin habe bei der Notaufnahme nicht angegeben, seit zwei Tagen an zunehmendem Stuhlverhalt gelitten zu haben. Vielmehr ergebe sich aus dem Aufnahmebogen, dass seit dem Morgen des 19.07.2013 im Bereich des linken Unterbauchs/Flanke Schmerzen bestanden hätten. Der Stuhlgang sei ohne Befund gewesen. Wegen der starken Schmerzen im Bereich der linken Nierenseite und der auffälligen Nierenwerte hätte eine entsprechende Diagnostik das Vorliegen einer Nierenerkrankung aufzeigen müssen.
Der vom Landgericht festgestellte Behandlungsfehler durch Unterlassen des CT am 20.07.2013 stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Sonst wäre der Niereninfarkt festgestellt worden und es hätte umgehend mit einer Therapie reagiert werden müssen. Die Beweislast für eine Erfolglosigkeit der Behandlung liege dann bei der Beklagten und könne von dieser nicht geführt werden. Die Gesundheitsschäden rechtfertigten nach dem Absterben der linken Niere und insbesondere mit Blick auf die denkbare künftige Dialyse ein Schmerzensgeld von 25.000 €.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter teilweiser Abänderung des am 7.02.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 101/15, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld, welches der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag i.H.v. 20.000 € jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie sinngemäß,
das Urteil des Landgerichts Potsdam zu 11 O 101/15 vom 17. Januar 2018 (gemeint ist wohl 7. Februar 2018) teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit die Klageabweisung erfolgte. Die Forderung der Klägerin nach Maßnahmen im „off-label-use“-Bereich liefe mangels medizinischem Standard leer. Ein grober Behandlungsfehler läge nicht vor.
Die Bemessung des Schmerzensgeldes sei fehlerhaft erfolgt. Grundlage des Schmerzensgeldes könnten lediglich immaterielle Schäden bei bereits eingetretenem Schaden, also abgeschlossenem Lebenssachverhalt sein. Ein Schaden sei jedoch nicht eingetreten. Im Weiteren gehe das Landgericht zu Unrecht davon aus, dass eine Besserung der Nierenfunktion bei korrekter Gabe von Heparin möglich gewesen wäre. Der Sachverständige habe hier widersprüchlich ausgesagt, dass einerseits nach Ablauf von 3 Stunden nach dem Niereninfarkt eine Besserung nicht mehr eintreten könne, andererseits jedoch auch außerhalb dieses Zeitfensters durch die Gabe von Heparin noch gewisse Chancen bestünden.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520, 524 ZPO. Die Parteien stützen ihre Berufungen u.a. auf eine aus ihrer Sicht fehlerhafte Bemessung des Schmerzensgeldes, die Ermittlung des Grades des Verschuldens der ärztlichen Pflichtverletzungen, sowie – die Klägerin – auf die fehlerhafte Sachverhaltsgrundlage der Entscheidung. Sie machen damit Rechtsfehler geltend, auf denen das angefochtene Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.
Die Berufungen sind jedoch unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € und Feststellung der Schadensersatzpflicht gegen die Beklagte aus dem Behandlungsvertrag der Parteien i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 630a, 249, 253 Abs. 2 BGB, soweit ärztliche Behandlungsfehler festgestellt werden können.
1.
Ein Behandlungsfehler ist nicht bereits darin zu sehen, dass die Beklagte im Rahmen der Erstdiagnose am 19.07.2013 – wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, fehlerhaft – von einer Obstipation ausgegangen war und den bestehenden Niereninfarkt nicht diagnostiziert und behandelt hat. Darin liegt ein nicht vorwerfbarer Diagnoseirrtum und nicht etwa ein Befunderhebungsfehler.
Ein Befunderhebungsfehler ist gegeben, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird. Im Unterschied dazu liegt ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen ergreift (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – VI ZR 146/14 -, Rn. 6, juris).
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. …, denen der Senat folgt, hat die Beklagte die erforderlichen Befunde erhoben. Neben der Anamnese wurde mit der Sonografie ein bildgebendes Verfahren angewendet und eine röntgenologische Befunderhebung durchgeführt. Danach wurden beide Nieren klinisch ohne pathologischen Befund bewertet und eine Darmproblematik festgestellt. Im Weiteren waren das Nierenlager klopfschmerzfrei. Blutbeimengungen im Urin fehlten ebenso wie spezifische für einen Niereninfarkt typische Symptome. Der Kaliumwert war nicht erhöht. Insgesamt ergab sich, wenn auch einige Werte im Hinblick auf die Nierenfunktion auffällig waren, ein unspezifisches und nicht auf eine Nierenerkrankung richtungsweisendes Bild. Weitere Untersuchungen waren nach dem Sachverständigen zu diesem Zeitpunkt nicht angezeigt. Insbesondere bestand weder Anlass für ein weiteres bildgebendes Verfahren noch für die Ermittlung des LDH-Wertes, da ein ischämisches Ereignis nicht zu prüfen war. Mithin hat die Beklagte alle Befunderhebungen eingeleitet, die für die Diagnoseerstellung erforderlich waren.
Soweit der Sachverständige und auch das Landgericht entgegen der Anamnese und unter Berücksichtigung der fehlerhaften Ausführungen im Arztbrief vom 22.07.2013 von der Angabe eines zum Zeitpunkt der Aufnahme zweitägigen Stuhlverhalts ausgingen, ändert dies an der Bewertung nichts. Auch eine erneute Anhörung des Sachverständigen ist nicht erforderlich. Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, bei einem Niereninfarkt handele es sich um ein im Gegensatz zur Obstipation seltenes Ereignis. Nach den klinischen Befunden, denen der Vorrang vor etwaigen Verdachtsdiagnosen der Hausärzte zu geben ist, ergaben sich gerade keine Hinweise auf eine Nierenproblematik; vielmehr aufgrund der objektiv festgestellten Stauung im Darm Hinweise auf eine Obstipation. Bei seiner Bewertung sieht er die – fehlerhafte – Angabe des Stuhlverhalts lediglich als einen Aspekt seiner Einschätzung, nicht jedoch als Grundlage hierfür. Vielmehr hat er seine Bewertungen anhand der objektivierbaren Befundung getroffen.
Damit ist der Beklagten kein Unterlassen weiterer Befundung vorzuwerfen. Auch die getroffene Diagnose findet ihre Grundlage in den klinischen Befunden. Insoweit war der ohnehin nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler zu bewertende Diagnosefehler (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1981 – VI ZR 35/79 -, Rn. 12, juris) ebenfalls nicht vorwerfbar.
2.
Als Behandlungsfehler sind mit dem Landgericht hingegen das Unterlassen des CT am 20.07.2017, sowie das Unterlassen der Heparin-Bolus-Gabe als sofortige Antikoagulation im Anschluss an die Diagnose eines Niereninfarkts und der danach zu geringen Medikamentation mit Clexane anzusehen, die fehlerhafte Medikamentation als ein grober Behandlungsfehler. Daraus folgt zugleich eine Umkehr der Beweislast für die Kausalität von Pflichtverletzung und Primärschaden zu Lasten des Behandelnden.
a)
Nachdem nach erfolgtem Stuhlgang und trotz erhöhter Schmerzmittelgabe die Schmerzen anhielten, ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen die Arbeitsdiagnose einer Obstipation nicht mehr aufrecht zu erhalten. Vielmehr habe trotz der Mobilität der Klägerin und der nach der Infusion fehlenden Anzeichen einer akuten Nierenproblematik Anlass für eine weitere Befunderhebung durch eine Ultraschalluntersuchung oder ein CT bestanden. Wenn auch das CT ggf. durch das zuvor gegebene Kontrastmittel beeinträchtigt worden wäre, wäre es doch angezeigt gewesen. Im Unterlassen liegt jedenfalls ein leichter Befunderhebungsfehler.
Bei dem CT am 20.07.2013 hätte man mit hoher Wahrscheinlichkeit dasselbe gesehen, wie am 21.07.2013. Der Sachverständige hat bereits im Gutachten ausgeführt, bei Diagnose des Nierenarterienverschlusses – wie am 21.07.2013 getroffen – hätte der Klägerin sofort intravenös Heparin-Bolus mit 5.000 – 10.000 IE und in den darauffolgenden Tagen niedermolekulares Heparin verabreicht werden müssen. Bei dem Medikament Clexane bedeute dies 2 x 70 mg täglich. Tatsächlich wurden lediglich seit 19.07.2013 1 x 20 mg, ab 21.07.2013 1 x 40 mg und ab 24.07.2013 2 x 40 mg gegeben. Die Nierenfunktion war nicht derart eingeschränkt, dass sie eine Reduzierung der Dosis gerechtfertigt hätte.
Eine Lysetherapie war hingegen nicht veranlasst, da sie innerhalb von 3 Stunden nach dem Infarkt eingeleitet werden muss. Bei einer späteren Intervention ist zu erwarten, dass die Funktion der Niere nicht mehr verbessert werden kann. Zudem sei die Behandlung komplikationsträchtig. Es bedürfe einer Abwägung der Chancen und Risiken im off-label-use-Bereich außerhalb medizinischer Standards. Die Behandlung mit dieser Maßnahme ist daher auch bei unterstelltem CT am 20.07.2013 nicht zu erwarten gewesen.
Der Sachverständige setzt sich in seiner Bewertung nicht in Widerspruch zu seinen eigenen Ausführungen. Zwar hat er festgestellt, dass eine Besserung der Nierenfunktion nach Ablauf von 3 Stunden nach dem Infarkt nicht mehr erreicht werden kann. Er schränkt seine Aussage jedoch bereits insoweit ein, als er eine Behandlung auch danach im off-label-use-Bereich als denkbar erachtet und lediglich einer Risiko-Nutzen-Abwägung unterwirft. So führt er aus, die Gabe von Heparin sei durchaus in der Lage, auch ältere Teile des Verschlusses zu lösen und damit jedenfalls eine etwas verbesserte Nierenfunktion zu erreichen, ohne den früheren Zustand wieder herzustellen.
b)
Das Unterlassen der Heparin-Bolus-Gabe und die nachfolgende fehlerhafte Medikamentation stellen einen groben Behandlungsfehler dar. Auch im Rahmen seiner Anhörung bleibt der Sachverständige bei dieser Einschätzung und beurteilt diesen Fehler als nicht mehr nachvollziehbar, weil es sich insoweit um eine Standardtherapie handele. Die Bewertung teilt der Senat. Dem steht nicht entgegen, dass die Heilungschancen ungewiss blieben und sich die Äußerungen des Sachverständigen dazu im Konjunktiv bewegen. Denn ob eine Behandlungsmaßnahme oder deren Unterlassen grob fehlerhaft ist, beurteilt sich nicht an den Erfolgsaussichten der Behandlungsmaßnahme, sondern vielmehr danach, ob sie gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse oder bewährte ärztliche Behandlungsregeln verstoßen und deshalb einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfen (BGH NJW 2011, 3442). Maßnahmen, die wie hier nach dem Sachverständigen nicht ohne jede Erfolgsaussicht sind, andererseits ein geringes Patientenrisiko beinhalten und dem medizinischen Standard entsprechen, sind im Interesse des Patienten einzuleiten.
c)
Wie bereits ausgeführt, folgt aus der grob fehlerhaften Behandlung eine Umkehr der Beweislast für die Kausalität der Pflichtverletzung zum eingetretenen primären Gesundheitsschaden. Nach dem Sachverständigengutachten war aufgrund des zeitlichen Ablaufes mit der Behandlung am Nachmittag des 20.07.2013 eine vollständige Wiederherstellung der Nierenfunktion nicht mehr zu erreichen. Die Schädigung der Funktion der linken Niere der Klägerin durch den Niereninfarkt ist damit als schicksalhaft anzusehen. Allerdings geht es zu Lasten der nunmehr beweispflichtigen Beklagten, dass sich nicht mehr feststellen lässt, inwieweit bei richtiger Gabe der Medikamente eine Besserung eingetreten wäre.
3.
Damit hat das Landgericht zu Recht dem Feststellungsantrag entsprochen. Es ist schon wegen des in Betracht zu ziehenden Ausfalls der rechten Niere mit der Folge einer dann notwendigen Dialyse weder auszuschließen noch in hohem Maße unwahrscheinlich, dass es infolge des Behandlungsfehlers zu derzeit nicht gegebenen gesundheitlichen Benachteiligungen für die Klägerin kommt. Die Realisierung dieses Risikos wird nicht vom ausgeurteilten Betrag erfasst, wohl aber von der gerichtlichen Feststellung, dass die Beklagte für alle (weiteren) Schäden haftet.
4.
Die Bemessung des Schmerzensgeldes von 5.000 € ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die Funktion des Schmerzensgeldes besteht darin, dem Verletzten einen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden und ferner Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu geben. Die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden und Entstellungen bilden die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der Entschädigung. Der Richter muss insoweit diejenigen Umstände, die dem Schaden im Einzelfall sein Gepräge geben, eigenständig bewerten und aus einer Gesamtschau die angemessene Entschädigung für das sich ihm darbietende Schadensbild gewinnen (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1992 – VI ZR 201/91 -, BGHZ 120, 1-9, Rn. 28). Diese Aspekte und die Schwere der gesundheitlichen Einschränkungen hat das Landgericht zutreffend berücksichtigt.
Die von der Klägerin beschriebenen aktuellen Einschränkungen in der Lebensführung sind nicht kausal auf den Behandlungsfehler, sondern auf andere Erkrankungen zurückzuführen. Die Ausführungen des Sachverständigen dazu sind klar und unmissverständlich. Es besteht kein Grund, an ihnen zu zweifeln. Insbesondere hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei einer Anzahl von Personen eine Schrumpfniere ohne Schmerzindikation vorliege und deshalb nicht einmal bemerkt werde. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klägerin durch die grob fehlerhafte ärztliche Behandlung keiner Beeinträchtigung unterliegt. Tatsächlich muss sich die Beklagte auch hier die Möglichkeit einer Besserung der Nierenfunktion im Falle ordnungsgemäßer Medikamentation entgegenhalten lassen. Sie hat damit, unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2018 – VI ZR 259/15), für den Fall der Funktionsbeeinträchtigung auch der rechten Niere zugleich eine Mitursache für eine denkbare Dialyse gesetzt. Diese Gefahr ist, wenn sie sich auch aktuell nicht verwirklicht, als nicht fernliegend zu berücksichtigen. Zudem beeinträchtigt bereits das Wissen um diese Gefahr die weitere Lebensführung der Klägerin. Gleichwohl ist die Schmerzensgeldbemessung nicht mit Fällen gleichzusetzen, denen ein vollständiger Funktionsverlust zugrunde liegt. Denn die nicht behebbare Vorschädigung der Niere durch den Niereninfarkt ist – wie ausgeführt – der Beklagten nicht zurechenbar. Insgesamt ist daher – auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen – ein Schmerzensgeld von 5.000 € angemessen.
5.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.
Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 30.000 € (20.000 € Berufung, 10.000 € Anschlussberufung) festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG.