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RechtsprechungVertragsrecht

Zustimmung zur Erhöhung der Grundmiete für Wohnung-Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete

Bundesgerichtshof, VIII-ZR-62/18

Urteil vom 24.04.2019

 

Leitsatz:

a)

Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen, dessen Unterstützung sich der Tatrichter bedient, kommen unterschiedliche wissenschaftliche Bewertungsmethoden in Betracht. Die Wahl einer bestimmten Bewertungsmethode ist generell dem – sachverständig beratenen – Tatrichter vorbehalten und im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob das Berufungsurteil insoweit gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (Anschluss an BGH, Urteil vom 28. April 1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257, 264; BFH, DStR 2019, 376 Rn. 16).

 

b)

Ermittelt der Tatrichter die ortsübliche Vergleichsmiete unter Heranziehung eines Sachverständigen, ist eine in jeder Hinsicht vollständige Mitteilung der Anschriften der Vergleichswohnungen im Gutachten nur dann geboten, wenn diese Angaben für eine Überprüfung des Gutachtens praktisch unentbehrlich wären (Anschluss an BVerfGE 91, 176, 184; Beschluss vom 7. Oktober 2000 – 1 BvR 2646/95, juris Rn. 3).

 

c)

Ein angemessenes Verhältnis von Neuvermietungen und Änderungen von Bestandsmieten, welches gemäß § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zugrunde zu legen ist, ist jedenfalls dann nicht mehr gewahrt, wenn der Tatrichter Bestandsmietenänderungen im maßgeblichen Vierjahreszeitraum nicht oder nur in einem vernachlässigbar geringen Umfang in die Bewertung einbezieht.

d)

Ergibt sich auch nach Berücksichtigung der gesetzlichen Wohnwertmerkmale der vom – sachverständig beratenen – Tatrichter herangezogenen Vergleichswohnungen eine breite Streuung der für diese Wohnungen gezahlten Mieten, darf die ortsübliche Einzelvergleichsmiete nicht mit dem oberen Wert dieser Streubreite gleichgesetzt werden. Denn es ist nicht sachgerecht, eine solche breite Marktstreuung, die nicht auf den gesetzlichen Wohnwertmerkmalen beruht, einseitig dem Vermieter zu Gute kommen zu lassen.

In diesen Fällen obliegt es dem Tatrichter, innerhalb dieser Streubreite die Miete zu ermitteln, die der Vermieter als ortsübliche Vergleichsmiete beanspruchen kann. Bei einer auffälligen Häufung der Vergleichsmieten um einen kleinen Wert herum mag es gerechtfertigt sein, die dadurch repräsentierte (gesamte) kleine Bandbreite als ortsübliche Vergleichsmiete anzusehen, so dass der Vermieter in einem solchen Fall die Miete bis zu dem höheren Wert dieser kleinen Bandbreite als ortsübliche Vergleichsmiete erhöhen kann. Lassen sich Besonderheiten der Verteilung der Vergleichsmieten nicht feststellen, mag es angemessen sein, auf den arithmetischen Mittelwert abzustellen (Fortführung des Senatsurteils vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 346/10, NJW 2012, 1351).

Tatbestand:

1

Die Beklagte ist Mieterin einer in Görlitz gelegenen Wohnung der Klägerin. Mit Schreiben der Hausverwaltung vom 30. Oktober 2014 begehrte die Klägerin unter Benennung von drei Vergleichswohnungen eine Erhöhung der monatlichen Nettomiete (nachfolgend nur: Miete) für die 73 m² große Wohnung von 380,33 € auf 456,25 € (6,25 €/m²).

2

Die Beklagte stimmte mit Schreiben vom 27. Dezember 2014 einer Mieterhöhung auf 400,77 € (5,49 €/m²) zu. Später erklärte die Beklagte den Widerruf der Zustimmung.

3

Das Amtsgericht hat der auf weitergehende Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 456,25 € monatlich gerichteten Klage nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens mit zwei Ergänzungsgutachten zum Teil stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Erhöhung der Miete von 400,77 € auf 416,10 € (5,70 €/m²) zuzustimmen. Das Landgericht hat die Berufungen der Klägerin und der Beklagten nach ergänzender Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen.

4

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerin ihr Zustimmungsbegehren, soweit es erfolglos geblieben ist, und die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Gründe:

5

Die Revision der Beklagten hat teilweise, die Revision der Klägerin hat insgesamt Erfolg. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung über 400,77 € monatlich hinaus verurteilt hat und – im Umfang der Aufhebung – zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die Klägerin könne gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB die Zustimmung zu einer Erhöhung der Grundmiete für die von der Beklagten gemietete Wohnung auf monatlich 416,10 € (5,70 €/m²) beanspruchen.

8

Zu Recht habe das Amtsgericht angenommen, dass das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 30. Oktober 2014 den in formeller Hinsicht zu stellenden Anforderungen genüge. Zwar befinde sich eine der in dem Mieterhöhungsverlangen bezeichneten Vergleichswohnungen in einem Mehrfamilienhaus, welches mit einem Fahrstuhl ausgestattet sei, während das Anwesen, in dem die von der Beklagten gemietete Wohnung belegen sei, einen solchen nicht aufweise. Dies hindere jedoch nicht, auch diese von der Klägerin benannte Wohnung als vergleichbar im Sinne von § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB anzusehen.

9

Die Klägerin sei nicht berechtigt, ihre mit Schreiben vom 27. Dezember 2014 erklärte teilweise Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung nach Maßgabe der §§ 312 ff. BGB zu widerrufen. Allein ein Briefwechsel stelle noch kein Fernabsatzgeschäft im Sinne des Gesetzes dar.

10

Zu Recht habe das Amtsgericht unter Zugrundelegung der Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung der Beklagten auf 5,70 €/m² geschätzt. Die zuerkannte Mieterhöhung liege im Rahmen der vom Sachverständigen ermittelten Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete von 4,47 €/m² bis 6,93 €/m². Der Sachverständige habe die in Rede stehende Wohnung in diese Spanne eingeordnet und so die Einzelvergleichsmiete mit einem Punktwert von 5,70 €/m² festgestellt.

11

Der Sachverständige habe die von ihm herangezogenen Vergleichswohnungen hinlänglich bezeichnet. Das Berufungsgericht habe keinen Zweifel, dass sich diese tatsächlich in den jeweils von ihm angegebenen Straßenzügen sowie in der genannten Geschosslage befänden und auch die beschriebenen Wohnwertmerkmale aufwiesen.

12

Die vom Sachverständigen ausgewählten Vergleichswohnungen seien – mit einer Ausnahme – in den Jahren 2010 bis 2014 neu vermietet worden. Die getroffene Auswahl habe der Sachverständige mit der Besonderheit des Mietwohnungsmarktes in Görlitz begründet. Eine Erhöhung der Wohnungsmieten in den vergangenen zehn Jahren habe er dort nicht feststellen können. Hingegen könnten in Görlitz zahlreiche sanierte Wohnungen aufgrund des Einwohnerschwundes nicht vermietet werden. Daher seien Neuvermietungen keine „Preistreiber“.

13

Der Sachverständige habe seinem Gutachten auch tatsächlich gezahlte Vergleichsmieten zu Grunde gelegt. Da die Wohnwertmerkmale der Vergleichswohnungen naturgemäß nicht zu 100 % mit den Eigenschaften der Wohnung der Beklagten übereinstimmten, habe der Sachverständige die Miethöhe der Vergleichswohnungen mit Hilfe von Anpassungskoeffizienten und einem die Besonderheiten des Görlitzer Mietwohnungsmarktes berücksichtigenden Punktesystem ausgeglichen. Es liege auf der Hand, dass die so ermittelten Mieten nicht tatsächlich gezahlt, sondern angepasst seien.

14

Die Klägerin mache mit ihrer Berufung ohne Erfolg geltend, dass nicht auf den vom Sachverständigen bezifferten arithmetischen Mittelwert der Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete abzustellen sei, sondern auch der oberste Spannenwert die ortsübliche Vergleichsmiete widerspiegele. Das Berufungsgericht verstehe den Sachverständigen dahingehend, dass das arithmetische Mittel der Spanne (hier 5,70 €/m²) zugleich den Punktwert der unter Berücksichtigung qualitativer Kriterien angepassten Vergleichsmiete repräsentiere. Dieser Wert bilde nach den Ausführungen des Sachverständigen die punktgenaue Einzelvergleichsmiete für die in Rede stehende Wohnung ab. Da mithin bereits eine Einzelvergleichsmiete vorliege, komme eine Anhebung auf den obersten Wert der Spanne nicht in Betracht.

B.

15

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

16

Nach den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen können weder die Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB Bestand haben, soweit diese die außergerichtlichen vereinbarten 400,77 € übersteigt, noch kann ein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete über die vom Berufungsgericht bestätigte Verurteilung zu 416,10 € hinaus abgelehnt werden.

17

Sowohl die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete nach Maßgabe des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB als auch die Feststellungen zur „konkreten“ ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne einer Einzelvergleichsmiete sind von Rechtsfehlern beeinflusst, weil das Sachverständigengutachten nicht frei von methodischen Mängeln ist und deshalb den gesetzlichen Vorgaben des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht vollständig gerecht wird.

18

Zur Revision der Beklagten

19

Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, die Beklagte sei nicht zum Widerruf der von ihr am 27. Dezember 2014 erklärten Teilzustimmung zu einer Mieterhöhung auf 400,77 € berechtigt. Insoweit bleibt die Revision der Beklagten ohne Erfolg.

20

Gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete seit 15 Monaten unverändert geblieben ist. In dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 30. Oktober 2014 lag dabei zugleich ein Angebot zum Abschluss einer Mieterhöhungsvereinbarung nach §§ 558, 558a BGB (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 94/17, NJW 2019, 303 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 30. Januar 2018 – VIII ZB 74/16, NZM 2018, 279 Rn. 11; jeweils mwN) über eine Miete von nunmehr 456,25 €. Dieses Angebot hat die Beklagte teilweise angenommen, nämlich durch Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 400,77 € (§ 558b Abs. 1 BGB).

21

Daran ist die Beklagte gebunden. Der am 17. Dezember 2015 erklärte Widerruf der Teilzustimmung zu der verlangten Mieterhöhung ist nicht wirksam. Entgegen der Ansicht der Revision ist insoweit der Anwendungsbereich des von der Beklagten in Anspruch genommenen Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen nicht eröffnet.

22

Zwar steht dem Verbraucher auch bei im Fernabsatz geschlossenen Verträgen über die Vermietung von Wohnraum (§ 312 Abs. 4 Satz 1 BGB) gemäß § 312 Abs. 3 Nr. 1, 7 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht nach Maßgabe der §§ 312c, 312g Abs. 1, § 355 BGB zu. Insoweit ist jedoch bei Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Erhöhung der Wohnraummiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB), wie der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat (Senatsurteil vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 94/17, aaO Rn. 13, 25 ff.), eine Einschränkung geboten. Obwohl der Wortsinn des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB auch solche Vereinbarungen erfasst, ist der Anwendungsbereich der § 312 Abs. 4 Satz 1, § 312c BGB mit Rücksicht auf den Regelungszweck der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete und der Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen im Wege der teleologischen Reduktion einzuschränken. Nach dieser Maßgabe ist ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen im Hinblick auf eine Zustimmungserklärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB) nicht gegeben (Senatsurteil vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 94/17, aaO).

23

Zutreffend rügt die Revision, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 1, 2 Satz 1 BGB), soweit sie monatlich 400,77 € übersteigt, nicht frei von Rechtsfehlern sind.

24

a)

Allerdings lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts, das Mieterhöhungsverlangen vom 30. Oktober 2014 sei nicht in formeller Hinsicht unwirksam, einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Klägerin hat sich zur Begründung der beabsichtigten Mieterhöhung auf die Benennung von drei Vergleichswohnungen gestützt (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB). Die Revision macht allein geltend, das Mieterhöhungsverlangen sei formell unwirksam und die Klage unzulässig, weil eines der drei Anwesen – anders als dasjenige, in dem die von der Beklagten gemietete Wohnungen belegen sei – mit einem Fahrstuhl ausgestattet sei. Damit dringt die Revision nicht durch.

25

Die an die „Vergleichbarkeit“ der zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens genannten Wohnungen (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB) zu stellenden Anforderungen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahin geklärt, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen und eine Übereinstimmung oder gar „Identität“ in allen wesentlichen Wohnwertmerkmalen nicht zu fordern ist (BVerfGE 53, 352, 359 ff.; BVerfG, NJW-RR 1993, 1485 f.; jeweils zu § 2 Abs. 2 MHG). Der Mieter soll (lediglich) in die Lage versetzt werden, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und die begehrte Mieterhöhung zumindest ansatzweise nachzuvollziehen (Senatsurteile vom 10. Oktober 2007 – VIII ZR 331/06, NJW 2008, 848 Rn. 18; vom 19. Mai 2010 – VIII ZR 122/09, NZM 2010, 576 Rn. 10, 12; Senatsbeschluss vom 8. April 2014 – VIII ZR 216/13, NJW-RR 2014, 1357 Rn. 1).

26

Diesen Anforderungen wird das Mieterhöhungsverlangen vom 30. Oktober 2014 gerecht. Die Klägerin hat dabei unter anderem mitgeteilt, dass eine der von ihr benannten Vergleichswohnungen in einem Haus belegen sei, welches mit einem Fahrstuhl ausgestattet sei. Auf diese Weise hat die Klägerin den von der Revision beanstandeten Gesichtspunkt ausdrücklich kenntlich gemacht. Eine Prüfung der begehrten Mieterhöhung war der Beklagten auch unter dem von der Revision insoweit allein gerügten Gesichtspunkt daher nicht verstellt.

27

b)

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur materiellen Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens beruhen hingegen auf einer rechtsfehlerhaft gewonnenen Tatsachengrundlage, weil das Gutachten des Sachverständigen den gesetzlichen Vorgaben des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht in jeder Hinsicht gerecht wird.

28

aa)

Ist – wie hier – ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen gegeben, so hat der Tatrichter materiell-rechtlich zu überprüfen, ob die konkret vom Vermieter verlangte Mieterhöhung nach § 558 BGB tatsächlich berechtigt ist, insbesondere ob die neue Miete innerhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt (Senatsurteile vom 21. November 2012 – VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775 13; vom 20. April 2005 – VIII ZR 110/04, NJW 2005, 2074 unter II 2). Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden sind (§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB).

29

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist die ortsübliche Vergleichsmiete ein objektiver Maßstab, der einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darstellen soll (BVerfGE 53, 352, 358). Die ortsübliche Vergleichsmiete darf im Prozess daher nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt werden, welche die tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbare Wohnungen in einer für die freie tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) hinreichenden Weise ermittelt haben (Senatsurteile vom 15. März 2017 – VIII ZR 295/15, NJW 2017, 2679 Rn. 21; vom 6. November 2013 – VIII ZR 346/12, NJW 2014, 292 Rn. 13; vom 3. Juli 2013 – VIII ZR 354/12, BGHZ 197, 366 Rn. 20; vom 21. November 2012 – VIII ZR 46/12, aaO; vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 99/09, NJW 2010, 2946 Rn. 9; siehe auch BVerfGE 37, 132, 143).

30

bb)

Diesen Anforderungen genügt das im Berufungsurteil zugrunde gelegte Sachverständigengutachten nicht in allen Punkten.

31

Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen, dessen Unterstützung sich der Tatrichter bedient, kommen unterschiedliche wissenschaftliche Bewertungsmethoden in Betracht. Die Wahl einer bestimmten Bewertungsmethode ist generell dem – insoweit sachverständig beratenen – Tatrichter vorbehalten und im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob das Berufungsurteil insoweit gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257, 264 f.; siehe auch BFH, DStR 2019, 376 Rn. 16).

32

Gemessen daran ist das angefochtene Urteil, wie die Revision mit Recht rügt, zu beanstanden, denn das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass die von dem beauftragten Sachverständigen gewählte konkrete Vorgehensweise den abstrakten Vorgaben des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht in jeder Hinsicht entspricht.

33

(1)

Vergeblich macht die Revision allerdings geltend, der Befund des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei bereits deshalb nicht tragfähig, weil er zwar die Straßennamen der von ihm ausgewählten Vergleichswohnungen mitgeteilt hat, nicht aber die betreffenden Hausnummern und auch Angaben zur Lage der jeweiligen Wohnung in den Geschossen unterblieben seien (a). Fehl geht zudem die Rüge der Revision, der Sachverständige habe die Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht anhand der tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten ermittelt (b).

34

(a)

Das Sachverständigengutachten ist nicht deshalb unverwertbar, weil es weder die Hausnummern der Vergleichswohnungen noch die Lage innerhalb des jeweiligen Geschosses mitteilt.

35

(aa)

Der Sachverständige hat jede der von ihm zum Vergleich herangezogenen Wohnungen anhand von mehr als 20 Merkmalen sehr ausführlich beschrieben und eingehend bewertet. Zudem hat er die Straßennamen angegeben, nicht allerdings die Hausnummern und die Lage der Vergleichswohnungen innerhalb des jeweiligen Geschosses. Dies war unter den gegebenen Umständen jedoch nicht geboten.

36

(bb)

Ohne Erfolg beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang darauf, für die formelle Rechtmäßigkeit eines auf Vergleichswohnungen gestützten Mieterhöhungsverlangens nach § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB sei zum Zweck der Identifizierung der vom Vermieter benannten Vergleichswohnungen auch deren Lage innerhalb eines Geschosses anzugeben (vgl. Senatsurteile vom 18. Dezember 2002 – VIII ZR 72/02, NJW 2003, 963 unter II 1 b, c; VIII ZR 141/02, WuM 2003, 149 unter II 1 b, c). Dem hat die Klägerin in ihrem Mieterhöhungsverlangen vom 30. Oktober 2014 rechtsfehlerfrei – und insoweit unangegriffen – Rechnung getragen.

37

Das formelle Erfordernis, in einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters zum Zweck der Identifizierung der benannten Vergleichswohnungen auch deren Lage innerhalb eines Geschosses anzugeben, ist entgegen der Ansicht der Revision jedoch schon deshalb nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit eines Mieterhöhungsverlangens und demgemäß nicht auf das Gutachten eines vom Gericht herangezogenen, öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu übertragen, weil dieser – anders als der Vermieter – von Berufs wegen zur Objektivität verpflichtet ist.

38

(cc)

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss ein Sachverständiger nicht stets die Vergleichswohnungen offen legen, damit sein Gutachten verwertbar ist (vgl. BVerfG, NJW 1997, 311; Beschluss vom 7. Oktober 2000 – 1 BvR 2646/95, juris Rn. 3). Erst recht muss ein Sachverständiger, der die jeweiligen Straßennamen mitgeteilt hat, nicht ohne Weiteres auch die Hausnummern der Anwesen angeben, in denen die Vergleichswohnungen belegen sind. Ebenso wenig muss ein Sachverständiger, der die Wohnwertmerkmale der Vergleichswohnungen – wie hier – eingehend beschreibt, bei mehrgeschossigen Anwesen stets auch die Lage einer Vergleichswohnung in einem mehrgeschossigen Anwesen innerhalb des jeweiligen Geschosses mitteilen.

39

Eine in jeder Hinsicht vollständige Angabe der Anschriften der Vergleichswohnungen – hier unter Einschluss der Hausnummern und der Lage der Wohnungen im Geschoss – wäre nur dann geboten, wenn auch diese Angaben für eine Überprüfung des Gutachtens praktisch unentbehrlich wären (vgl. BVerfGE 91, 176, 184; BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2000 – 1 BvR 2646/95, aaO). Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Auch die Revision ist auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens in die Lage versetzt worden, sich eingehend mit dem Befund des Sachverständigen auseinanderzusetzen, ohne durch die Unkenntnis der Hausnummern und der Lage im Geschoss in ihrer Beurteilung beeinträchtigt zu sein.

40

(b)

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die ortsübliche Vergleichsmiete auf der Grundlage der tatsächlichen und üblicherweise gezahlten Entgelte zu ermitteln (Senatsurteile vom 15. März 2017 – VIII ZR 295/15, aaO; vom 6. November 2013 – VIII ZR 346/12, aaO; vom 3. Juli 2013 – VIII ZR 354/12, aaO; vom 21. November 2012 – VIII ZR 46/12, aaO; vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 99/09, aaO; siehe auch BVerfGE 37, 132, 143). Dies hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision nicht verkannt. Der Sachverständige hat bei der Bewertung der von ihm herangezogenen Vergleichswohnungen jeweils die tatsächlich gezahlte Miete ermittelt und in seine Bewertung eingestellt. Anders als die Revision meint, beruht die Bewertung durch den Sachverständigen nicht auf „fiktiven“ Mieten.

41

(aa)

Meist – und nach dem Befund des ortskundigen Sachverständigen auch im gegebenen Fall – ist es nicht möglich, durchgängig auf gleichartige oder gar weitgehend identische Vergleichswohnungen zurückzugreifen. Die Beteiligten stehen daher in Gemeinden ohne Mietspiegel vor beträchtlichen Schwierigkeiten, „vergleichbare“ Wohnungen zu finden (vgl. BVerfGE aaO; siehe auch BT-Drucks. 7/2011, S. 15). Es ist somit nicht immer vermeidbar, bestehende Unterschiede zwischen den Vergleichswohnungen und der Wohnung des jeweiligen Mieters auszugleichen. Den Ausgleich vorhandener Unterschiede kann der Sachverständige auf verschiedene Weise vornehmen, etwa prozentual oder durch absolute Beträge. Auch die Verwendung eines Punktesystems ist möglich (vgl. Dröge, Handbuch der Mietpreisbewertung für Wohn- und Gewerberaum, 3. Aufl., S. 239).

42

(bb)

Im gegebenen Fall hat der mit den Örtlichkeiten vertraute Sachverständige zum Ausgleich der vorhandenen Unterschiede zwischen den Vergleichswohnungen einerseits und der Wohnung der Beklagten andererseits ein von ihm entwickeltes, detailliertes Punktesystem herangezogen. Dieses hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als geeignete Grundlage seiner Beurteilung angesehen, weil die Anpassung der Miete der Vergleichswohnungen mittels des verwendeten Punktesystems lediglich dazu dient, nicht zu vermeidende Unterschiede zwischen den Vergleichswohnungen und der Wohnung der Beklagten auszugleichen und einen Vergleich anhand der jeweiligen Wohnwertmerkmale zu ermöglichen.

43

(2)

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch nicht beachtet, dass der Sachverständige seine Ausführungen zu dem von § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgegebenen Wohnwertmerkmal „Größe“ auf unzureichende empirische Grundlagen gestützt hat (a). Weiter rügt die Revision zu Recht, der Sachverständige habe es unterlassen, bei der Ermittlung der Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete ein angemessenes Verhältnis von Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zugrunde zu legen (b).

44

(a)

Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend in den Blick genommen, dass das Gutachten des Sachverständigen auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage beruht, soweit es die Ausführungen zum Wohnwertmerkmal „Größe“ betrifft. Denn nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich der Sachverständige auf mehr als 30 Jahre alte statistische Werte bezogen, die er zudem einem anderen örtlichen (Teil-)Markt entnommen hat.

45

(aa)

Um eine größere Anzahl von Wohnungen zum Vergleich heranziehen zu können, hat der Sachverständige Umrechnungszahlen (Koeffizienten) herangezogen, die im Jahr 1980 aus einem begrenzten örtlichen Teilmarkt, nämlich dem Vorstadtbereich von Lübeck, abgeleitet und alsbald, nämlich im Jahr 1984, aktualisiert worden sind (Streich, DWW 1980, 188; ders., DWW 1984, 90). Der Sachverständige hat seinem Gutachten die im Jahr 1984 von Streich für den vorgenannten Teilmarkt erarbeiteten Umrechnungszahlen zugrunde gelegt.

46

(bb)

Dies hätte das Berufungsgericht – jedenfalls ohne nähere Erläuterungen – nicht hinnehmen dürfen.

47

(aaa)

Zwar wird im Schrifttum grundsätzlich angeraten, auf veröffentlichte Untersuchungen über die Abhängigkeit von Wohnfläche und Miethöhe zurückzugreifen (Schwirley/Dickersbach, Die Bewertung von Wohnraummieten, 3. Aufl., S. 313). Das Berufungsgericht hat aber nicht beachtet, dass eine schematische Übernahme von Umrechnungszahlen, die vor mehr als 30 Jahren auf einem anderen örtlichen Markt – hier sogar nur auf einem Teilmarkt – erhoben worden sind, einer besonderen Überprüfung bedarf. So wird im Schrifttum ausdrücklich darauf hingewiesen, dass derartige Berechnungen aktualisierungsbedürftig seien (vgl. Dröge, aaO S. 245). Dies ist jedoch, soweit ersichtlich, hier seit 1984 nicht mehr geschehen, denn der Sachverständige hat nach wie vor die von Streich bereits 1984 erarbeiteten Umrechnungszahlen verwendet (siehe das in DWW 1984, 90, 91 mitgeteilte Zahlenwerk).

48

(bbb)

Zudem darf der Tatrichter den rechtlichen Maßstab der Ortsüblichkeit nicht verlassen. Statistische Annahmen, die die örtlichen Verhältnisse nicht hinreichend berücksichtigen, hat die Rechtsprechung demgemäß nicht gebilligt (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1999 – XII ZR 150/97, aaO; BFH, aaO Rn. 19 f. mwN). Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Die von Streich entwickelten Umrechnungszahlen beziehen sich auf einen anderen örtlichen Markt (Lübeck) und überdies nur auf einen Teilmarkt, nämlich die Vorstadt von Lübeck. Aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse können jedoch generell oder jedenfalls für einzelne Teilmärkte abweichende Wertverhältnisse gelten (so Streich, DWW 1980, aaO, 191; ders., DWW 1984, aaO). Angesichts dessen durfte das Berufungsgericht die pauschale Sichtweise des Sachverständigen, die 1984 für die Vorstadt von Lübeck erarbeiteten Umrechnungszahlen seien „am Mietmarkt in Görlitz nachvollziehbar“, nicht ohne Weiteres hinnehmen. Dies gilt erst recht deshalb, weil das Berufungsgericht selbst hervorgehoben hat, dass sich der Wohnungsmarkt in Görlitz nicht unerheblich von demjenigen anderer Städte, die etwa gleich groß seien, unterscheide.

49

(b)

Des Weiteren hat der Sachverständige nach den Feststellungen des Berufungsgerichts geänderte Bestandsmieten im Sinne von § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht berücksichtigt, sondern nur Neuvermietungen. Zudem hat er, wie die Revision zu Recht rügt, eine außerhalb des Vierjahreszeitraums liegende – und damit nicht berücksichtigungsfähige – Änderung einer Miete in sein Gutachten einbezogen (Vergleichswohnung Nr. 7). Damit durfte sich das Berufungsgericht nicht begnügen.

50

(aa)

§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB sieht vor, dass bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zu berücksichtigen sind. In welchem Verhältnis die gebotene Gewichtung vorzunehmen ist, ist in dieser Vorschrift nicht ausdrücklich geregelt. Es obliegt deshalb dem Tatrichter, auf ein angemessenes Verhältnis von Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zu achten (Senatsurteil vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 346/10, NJW 2012, 1351 Rn. 31). Ein angemessenes Verhältnis liegt jedoch jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn der Tatrichter Bestandsmietenänderungen nicht oder nur in einem vernachlässigbar geringen Umfang in die Bewertung einbezieht. Das Berufungsgericht hat dies nicht beachtet, sondern gebilligt, dass der Sachverständige die ortsübliche Vergleichsmiete – abgesehen von der bereits aus anderen Gründen nicht berechtigungsfähigen Vergleichswohnung Nr. 7 – nur anhand von Neuvermietungen ermittelt. Dies beanstandet die Revision zu Recht.

51

(bb)

Von der Berücksichtigung geänderter Bestandsmieten durfte das Berufungsgericht auch nicht im Hinblick auf die örtlichen Besonderheiten in Görlitz absehen. Das Berufungsgericht hat sich auf die Ausführungen des Sachverständigen (in seinem zweiten Ergänzungsgutachten) gestützt, er habe in den vergangenen zehn Jahren eine Erhöhung der Wohnungsmieten in Görlitz nicht feststellen können. Aufgrund des dortigen Einwohnerschwundes stünden sanierte Wohnungen leer. Daher, so hat das Berufungsgericht gemeint, seien Neuvermietungen in Görlitz keine „Preistreiber“.

52

Hiermit hätte es das Berufungsgericht nicht bewenden lassen dürfen. Denn es verhält sich nicht etwa so, dass sich – etwa aufgrund eines bei den Bestandsmieten stagnierenden Mietmarktes – hier keine Mietverhältnisse finden ließen, bei denen die Miete innerhalb des maßgeblichen Vierjahreszeitraums erhöht worden wäre. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte dem Sachverständigen, wie die Revision mit Recht geltend macht, eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Bestandsmietenänderungen im maßgeblichen Zeitraum zwischen 3,26 €/m² und 4,66 €/m² mitgeteilt hat. Der Sachverständige hat dies bei seiner ergänzenden Anhörung durch das Berufungsgericht eingeräumt und dazu erklärt, von Seiten der Klägerin eine entsprechende Mitteilung nicht erhalten zu haben; deshalb habe er auf den „eigenen Bestand“ zurückgegriffen.

53

Zur Revision der Klägerin

54

Die Revision der Klägerin greift die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach die Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete von 4,47 €/m² bis 6,93 €/m² reiche, nicht an. Dennoch ist das Berufungsurteil aufgrund der rechtsfehlerhaften tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht nur auf die Revision der Beklagten, die das Berufungsurteil insoweit – wie ausgeführt – erfolgreich angegriffen hat, sondern auch auf die Revision der Klägerin aufzuheben. Denn das Revisionsgericht ist nach Maßgabe des § 559 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO auch im Rahmen der Revision der Klägerin nicht an die rechtsfehlerhaften tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete gebunden, weil die Beklagte ihre Einwände gegen das Berufungsurteil nicht nur im Wege einer eigenständigen Revision, sondern auch als Gegenrüge (vgl. dazu MünchKommZPO/Krüger, 5. Aufl., § 559 Rn. 15; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 23. Aufl., § 559 Rn. 52; jeweils mwN) im Rahmen der gegen sie gerichteten Revision der Klägerin erhoben hat.

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Hingegen ist die Auffassung der Revision, die Klägerin könne die von ihr begehrte Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 6,25 €/m² schon deshalb beanspruchen, weil der Sachverständige die ortsübliche Vergleichsmiete mit einer Spanne von 4,47 €/m² bis 6,93 €/m² ermittelt habe und der Vermieter Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur oberen Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen dürfe, unabhängig davon unbegründet, dass der Gutachter die ortsübliche Vergleichsmiete – wie ausgeführt – nicht in jeder Hinsicht den gesetzlichen Vorgaben des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB entsprechend ermittelt hat.

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a)

Zwar ist der Senat davon ausgegangen, dass es sich bei der ortsüblichen, durch ein Sachverständigengutachten ermittelten (Einzel-) Vergleichsmiete nicht zwingend um einen punktgenauen Wert handelt, sondern diese sich auch innerhalb einer – kleinen – Bandbreite bewegen kann, wie es in dem dem Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 (VIII ZR 30/09, NJW 2010, 146 14 mwN) zu Grunde liegenden Mietererhöhungsverfahren der Fall war. In jenem Verfahren hatte die dortige Sachverständige eine kleine Bandbreite von 0,24 €/m² ermittelt. Sie hat dabei 19 Vergleichswohnungen in die Betrachtung einbezogen und durch Zu- und Abschläge entsprechend der einzelnen Wohnwertmerkmale im Vergleich zu der in Rede stehenden Wohnung die erforderliche Vergleichbarkeit hergestellt. In diesem Fall der auffällig dicht zusammenliegenden Mieten der Vergleichswohnungen hat der Senat das Mieterhöhungsverlangen in Höhe des oberen Wertes der Bandbreite der von der Sachverständigen festgestellten Einzelvergleichsmiete für gerechtfertigt gehalten (Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 30/09, aaO Rn. 15). In einem solchen Fall liegt es nahe, dass die ortsübliche Einzelvergleichsmiete keinen punktgenauen Wert darstellt, sondern am besten durch eine kleine Bandbreite von Mieten wiedergegeben wird.

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b)

Für den davon zu unterscheidenden Fall, dass ein Sachverständiger bei einem Vergleich der zur Beurteilung stehenden Wohnung mit ähnlichen Vergleichswohnungen zu einer großen Streubreite der gezahlten Mieten gelangt, hat der Senat es hingegen nicht gebilligt, dass ohne Weiteres der obere Wert der so ermittelten Bandbreite als die vom Vermieter zu beanspruchende ortsübliche Einzelvergleichsmiete zu Grunde gelegt wird (vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 346/10, aaO Rn. 16 ff. [zu einer festgestellten Streubreite von 6,05 €/m² bis 8 €/m²]).

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c)

Stets müssen zunächst qualitative Unterschiede der Vergleichswohnungen zu der zu beurteilenden Wohnung berücksichtigt werden, um die Vergleichbarkeit herzustellen, sei es durch Zu- und Abschläge (vgl. hierzu Senatsurteil vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 346/10, aaO Rn. 28), wie sie von manchen Sachverständigen vorgenommen werden, sei es durch ein Punkte-Bewertungssystem, wie es der Sachverständige vorliegend angewendet hat.

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Soweit sich danach – was durchaus denkbar ist – auch nach der Berücksichtigung der Qualitätsunterschiede der zum Vergleich herangezogenen Wohnungen noch eine breite Marktstreuung ergibt, darf die ortsübliche Einzelvergleichsmiete jedoch nicht einfach mit dem oberen Wert der Streubreite gleichgesetzt werden. Vielmehr obliegt es dem sachverständig beratenen Tatrichter, die vom Vermieter zu beanspruchende Vergleichsmiete innerhalb dieses Rahmens zu ermitteln. Dabei sind verschiedene Ansätze denkbar (vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 346/10, aaO Rn. 26), die dem Tatrichter nicht abschließend vorgegeben werden können, sondern in seinem – revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren (vgl. Senatsurteil vom 20. April 2005 – VIII ZR 110/04, NJW 2005, 207 unter II 2 d aa) – Ermessen liegen. So mag es – vor allem wenn Besonderheiten der Verteilung der Vergleichsmieten nicht festgestellt werden können – angemessen sein, den arithmetischen Durchschnittswert zugrunde zu legen. Bei einer auffälligen Häufung der Vergleichsmieten um einen kleinen Wert herum mag es hingegen gerechtfertigt sein, die dadurch repräsentierte (gesamte) kleine Bandbreite als ortsübliche Vergleichsmiete anzusehen, so dass der Vermieter in einem solchen Fall die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zu dem höheren Wert dieser kleinen Bandbreite als ortsübliche Vergleichsmiete verlangen kann (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 30/09, aaO).

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d)

Soweit die Revision geltend macht, die Ursache der vom Sachverständigen hier ermittelten großen Streubreite der für die herangezogenen Vergleichswohnungen gezahlten Mieten liege – wie der Sachverständige bei seiner Anhörung bestätigt habe – darin, dass für Wohnungen mit gleichen Eigenschaften unterschiedliche Mieten gezahlt würden, so rechtfertigt dies keine andere Beurteilung.

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Im Gegenteil zeigt dies, dass es gerade nicht gerechtfertigt ist, auch den oberen Wert einer breiten Marktstreuung als die ortsübliche Vergleichsmiete anzusehen und dem Vermieter einen darauf gerichteten Zustimmungsanspruch zu gewähren. Denn eine solche Marktstreuung beruht nicht auf den gesetzlichen Qualitätsmerkmalen, an denen die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB zu messen ist. Es erscheint nicht sachgerecht, dass eine solcherart auffällige Marktstreuung allein dem Vermieter zu Gute kommen sollte. Dies führte nämlich dazu, dass der Vermieter – von „Ausreißermieten“ abgesehen – im Rahmen des Mieterhöhungsverfahrens jeweils das höchste Entgelt fordern könnte, das zu zahlen sich einer der Mieter der vom Sachverständigen herangezogenen Vergleichswohnungen bereitgefunden hat; eine derartige „Spitzenmiete“ repräsentiert jedoch nicht die ortsübliche Vergleichsmiete (vgl. auch Senatsurteil vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 346/10, aaO Rn. 13). Zudem liefe dies der gesetzlichen Regelung des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB zuwider, wonach für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete eine angemessene Mischung aus innerhalb des maßgeblichen Vierjahreszeitraums vereinbarten Neuvertragsmieten und geänderten Bestandsmieten zu Grunde zu legen ist. Denn zumindest in Zeiten angespannter Wohnungsmärkte und steigender Mieten würde die von der Revision vertretene Auffassung regelmäßig dazu führen, dass sich erhöhte Bestandsmieten im Rahmen des Vergleichsmietenverfahrens letztlich nicht auswirken, weil es dem Vermieter gestattet würde, Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zum oberen Wert der Marktstreuung, der regelmäßig durch die höchste Neuvertragsmiete repräsentiert würde, zu verlangen.

III.

62

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht zur Endentscheidung reife Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses auf der Grundlage eines neuen oder eines ergänzenden Gutachtens tragfähige Feststellungen sowohl zur Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete als auch zur Einzelvergleichsmiete treffen kann.

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