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Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG bei Organschaften; Auswirkungen des BFH-Urteils vom 23. Juli 2020, V R 32/19

 

I.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 23. Juli 2020, V R 32/19[1], entschieden, dass bei einer Organschaft der Organträger die Eingangsleistung bezieht, so dass es für § 13b Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG auf die Außenumsätze des Organkreises ankommt. Dabei kommt es auf die dem Organträger umsatzsteuerrechtlich zuzuordnenden Außenumsätze und nicht auf die nichtsteuerbaren Innenumsätze der Organgesellschaft innerhalb des Organkreises an.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

Das o. g. Urteil des BFH ist zur Rechtslage in den Besteuerungszeiträumen 2008 bis 2011 ergangen. Es betrifft damit die Jahre vor der Änderung des Anwendungsbereichs der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG) durch Artikel 8 Nr. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb und cc i. V. m. Artikel 28 Abs. 4 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften – KroatienG – vom 25. Juli 2014 (BGBl 2014 I S. 1266) mit Wirkung vom 1. Oktober 2014 und ist vor diesem Hintergrund restriktiv auszulegen.

Ab diesem Zeitpunkt wird für den Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Bauleistungen darauf abgestellt, ob der Leistungsempfänger nachhaltig entsprechende Leistungen erbringt, wovon auszugehen ist, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Bescheinigung nach dem Vordruckmuster USt 1 TG erteilt hat.

Für Zeiträume vor dem 1. Oktober 2014 hatte der BFH mit seinem Urteil vom 22. August 2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128, die gesetzliche Regelung einschränkend dahingehend ausgelegt, dass es für die Entstehung der Steuerschuld allein darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Insofern ist auch die Begründung des BFH im o. g. Urteil vom 23. Juli 2020 dahingehend auszulegen, dass es für die Leistungsverwendung nicht auf den Innenumsatz, sondern darauf ankommt, für welchen – dem Organträger zuzuordnenden – Außenumsatz die bezogene Bauleistung verwendet wird.

Gemäß § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG schuldet der Leistungsempfänger die Steuer jedoch unabhängig davon, ob er sie für eine von ihm erbrachte Bauleistung verwendet, so dass es auf diesen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangs-Bauleistung nicht (mehr) ankommt.

Nach dem o. g. BFH-Urteil vom 23. Juli 2020 ist jedoch festzustellen, dass für die Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG nicht steuerbare Innenumsätze unbeachtlich sind. Dieser Grundsatz gilt allgemein und ist auf die Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Lieferungen von Gas oder Elektrizität nach § 13b Abs. 5 Satz 3 und 4 i. V. m. Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe b UStG, bei der Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen nach § 13b Abs. 5 Satz 5 i. V. m. Abs. 2 Nr. 8 UStG und bei sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation nach § 13b Abs. 5 Satz 6 i. V. m. Abs. 2 Nr. 12 UStG übertragbar.

 

II.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl 2010 I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 27. September 2021 – III C 3 – S 7134/21/10004 :001 (2021/1028891), BStBl 2021 I S. xxxx, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1. Abschnitt 13b.3 Abs. 7 Satz 3 wird wie folgt gefasst:

3Bei der Berechnung der 10 %-Grenze sind nur die Bemessungsgrundlagen der Umsätze zu berücksichtigen, die dieser Teil des Organkreises erbracht hat; nicht steuerbare Innenumsätze sind dabei unbeachtlich.“

2. Abschnitt 13b.3a Abs. 3 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

2Absatz 2 und Abschnitt 3g.1 Abs. 2 und 3 sind insoweit nur auf den jeweiligen Unternehmensteil anzuwenden; nicht steuerbare Innenumsätze sind bei der Ermittlung der Wiederverkäufereigenschaft unbeachtlich.“

3. Abschnitt 13b.7b Abs. 5 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

2Die Absätze 2 und 3 sind insoweit nur auf den jeweiligen Unternehmensteil anzuwenden; nicht steuerbare Innenumsätze sind bei der Ermittlung der Wiederverkäufereigenschaft unbeachtlich.“

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Bundesministerium der Finanzen

Schreiben vom 27.09.2021

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