Rechtsprechung

Entfallen der Einigungsgebühr bei Abschluss eines Vergleichs mit bedingter Leistungspflicht

 

Leitsatz:

Eine Einigungsgebühr entsteht bei Abschluss eines Vergleichs unter der Bedingung, dass für den Fall der Leistung des Unterhaltsrückstandes innerhalb der vereinbarten Frist (zeitweilig) von der Geltendmachung eines höheren Unterhaltsanspruchs abgesehen wird, auch beim Ausbleiben des Bedingungseintritts.

Gründe:

Die nach §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO, 113 Abs. 1 FamFG zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat in der Sache Erfolg.

Die Rechtspflegerin hat zu Unrecht die beantragte Festsetzung einer Einigungsgebühr abgelehnt. Der Vergleich vom 26. Mai 2016 ist unter der Bedingung geschlossen worden, dass der Antragsteller/Beschwerdegegner seine unter Ziffer 1. und 2. des Vergleichs vereinbarte Zahlungsverpflichtung betreffend den (rückständigen) Kindesunterhaltes ordnungsgemäß erfüllt. Für den Fall der ordnungsgemäßen Erfüllung haben die Antragsgegner bzw. die gesetzliche Vertreterin ihrerseits erklärt, auf höheren Kindesunterhalt bis einschließlich 31. Dezember 2016 und die darüber hinausgehenden Rechte aus der notariellen Urkunde vom 7. November 2012 zu verzichten. Es handelt sich danach um eine auflösende Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB. Ob die gesetzte Bedingung eine aufschiebende oder eine auflösende sein soll, steht in der Entscheidung dessen, der das bedingte Rechtsgeschäft vornimmt. Es besteht nach keine Rechtsvermutung und auch keine Auslegungsregel zugunsten einer der beiden Arten (siehe Herrler in: Staudinger, BGB, Bearbeitung 2015, § 158 RdNr 4). Die Gegenmeinung (Armbrüster in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 158 RdNr.1), die davon ausgeht, dass im Zweifel wegen der geringeren Bindungswirkung eine aufschiebende Bedingung anzunehmen sei, ist nur für die ausdrücklich geregelten Fälle der §§ 449, 454 BGB zutreffend. Letztlich kann hier aber dahinstehen, welcher Ansicht der Vorzug zu geben ist. Unter Würdigung der in der vorliegenden Sache gegebenen Umstände ist von einer auflösenden Bedingung auszugehen. Nach dem Willen der Beteiligten sollten die sich aus dem Vergleich ergebenden Rechtswirkungen hinsichtlich der Höhe des vom Antragsgegner geschuldeten Unterhalts unmittelbar und nicht erst künftig, das heißt bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Zahlungen durch den Antragsgegner, eintreten. Die von den Beteiligten getroffene Vereinbarung entspricht der Sache nach einer Verfallsklausel in einem Vergleich, in der der Verzicht auf einen Teil der unter der Bedingung pünktlicher Erbringung der versprochenen Teilleistungen vereinbart wird. In derartigen Verfallsklauseln ist in der Regel eine auflösende Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB zu sehen (siehe BGH, Urteil vom 19. Dezember 1979 – VIII ZR 46/79 – NJW 1980, 1043; BGH, Urteil vom 8. Juli 1981 – VIII ZR 247/80 – NJW 1981, 2686; Westermann in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., § 158 RdNr. 12).

Die Einigungsgebühr entsteht bei einem Vergleich unter einer auflösenden Bedingung anders als bei einem Vergleich unter einer aufschiebenden Bedingung sofort und entfällt auch nicht, wenn die auflösende Bedingung, wie hier durch die nicht vereinbarungsgemäße Erfüllung durch den Antragsteller der Fall, nachträglich eintritt (arg. VV RVG 1000 Abs. 3; siehe ferner Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., VV 1000 RdNr. 84/85). Die in der Literatur vertretene Gegenansicht (siehe Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl., 1000 VV RdNr. 14) nach der eine Einigungsgebühr auch bei einem unter einer auflösenden Bedingung, deren Eintritt vom Willen beider oder nur eines Partners abhänge, erst dann entstehe, wenn endgültig feststehe, dass die auflösende Bedingung nicht eintrete, überzeugt nicht. Wenn der Gesetzgeber die Entstehung der Einigungsgebühr ausdrücklich nur bei einer aufschiebenden Bedingung und einem Widerrufsvorbehalt auf einen späteren Zeitpunkt hinausschiebt, so bedeutet das, dass in allen anderen Fällen die Einigungsgebühr sofort entsteht und auch nicht wieder entfällt. Dass der Gesetzgeber übersehen haben könnte, dass es auch willensabhängige auflösende Bedingungen gibt, ist fernliegend (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O.).

Da sich der Vergleich vom 26. Mai 2016 auf den gesamten Streitgegenstand bezieht und somit kein Teil- oder Zwischenvergleich vorliegt, bemisst sich die Einigungsgebühr auch nach dem vollen Verfahrenswert und mit den Beschlüssen vom 29. Juni 2017 und 17. Juli 2017 auf 10.680,00 EUR festgesetzten Wert, die für das Kostenfestsetzungsverfahren verbindlich sind.

Die nach einem Wert von 10.680,00 EUR entstandene Einigungsgebühr ist auch erstattungsfähig. Der Erstattungsfähigkeit der Vergleichskosten steht nicht entgegen, dass durch die Kostengrundentscheidung nur die „Kosten des Rechtsstreits“ tituliert sind. Zu den Kosten des Rechtsstreits gehören bei einem gerichtlichen Vergleich auch die Vergleichskosten. Das kann bei den Kosten eines gerichtlichen Vergleichs deshalb regelmäßig angenommen werden, weil er zu dem eigentlichen Prozessgeschehen gehört, dessen Kosten von den Parteien gewöhnlich als Einheit angesehen werden (BGH, Beschluss vom 25. September 2008 – V ZB 66/08 -, juris, RdNr. 15).

Die von dem Antragsteller an die Antragsgegner zu erstattenden Kosten sind somit wie folgt festzusetzen:

1,3-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG 785,20 EUR
1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG 724,80 EUR
1,0-fache Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000, 1003 VV RVG 604,00 EUR
Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 2.134,00 EUR
19% Umsatzsteuer 405,46 EUR
Bruttobetrag 2.539,46 EUR

 

Der Zinsanspruch folgt aus § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.

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