Kompensationsverbot – Steuerstrafrecht § 370 AO
Der 1. Strafsenat hat sich in zwei Entscheidungen mit der Reichweite des Kompensationsverbotes im Steuerstrafrecht befasst. Das Kompensationsverbot besagt, dass die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung auch dann erfüllt sind, wenn die Steuer aus anderen Gründen hätten ermäßigt werden können. So heißt es in § 370 Abs. 4 S. 3 AO: „Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.“ Das Kompensationsverbot solle laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann nicht gelten, wenn die steuererhöhenden Umstände in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit gleichermaßen verschwiegenen steuermindernden Tatsachen stehen. M.a.W.: Wurden Umsätze nicht angegeben, so war der Tatbestand der Steuerhinterziehung unabhängig davon erfüllt, ob und wenn ja in welche Höhe Aufwendungen diese Umsätze betreffend ebenfalls nicht angegeben worden sind. Eine Kompensation – oder einfach ausgedrückt: „eine Verrechnung“ – fand nicht statt.
Diese Rechtsprechung wurde zwar nicht aufgegeben, dennoch gelockert. So wurde im Bereich der Umsatzsteuer und Vorsteuer diese Rechtsprechung insoweit entschärft (vgl. Urteil vom 13. September 2018, 1StR 642/17), als dass sich nunmehr der Verkürzungsumfang dadurch mindern könne, wenn zwischen Eingangsumsatz und Ausgangsumsatz ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz besteht. Sofern und soweit nicht erklärte steuerpflichtige Ausgangsleistungen eine tatsächlich durchgeführte Lieferung betraf und die hierbei verwendeten Eingangsumsätze – namentlich verwendete Wirtschafsgüter – unter den Voraussetzungen des § 15 UStG erworben wurden, hat eine Verrechnung von Vorsteuer und Umsatzsteuer stattzufinden, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG – etwa das Vorliegen einer einwandfreien Rechnung i.S.d. § 14 UStG – gegeben sind. Begründet wird das damit, dass das Recht zum Vorsteuerabzug und der Umfang dieses Rechts sich daraus bestimmt, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz besteht. Regelmäßig, aber nicht notwendigerweise, zieht die Nichtgeltendmachung des an sich bestehenden Vorsteueranspruchs nach sich. Der Vorsteuervergütungsanspruch soll gleichwohl davon abhängig sein, dass die Eingangsleistung der unternehmerischen Tätigkeit des steuerpflichtigen zuzurechnen ist. Gleichwohl: wurden steuerpflichtige Umsätze nicht erklärt, ein Vorsteueranspruch dennoch geltend gemacht, stehen keine den Verkürzungsumfang mindernden Vorsteuern zur Verfügung. Die Steuer ist dann vollumfänglich verkürzt.
Kaufpreisrückerstattungen auf Konten von Offshore-Gesellschaften als Betriebsausgabe – Kompensationsverbot
Selbst im Falle einer verschleierten Kaufpreisrückerstattung, bei denen Zahlungen als Betriebsausgaben getarnt daherkamen und auf Konten von Offshore-Gesellschaften transferiert worden sind, hat der 1. Strafsenat deren gewinnmindernde und zugleich strafrechtlich zulässigen Kompensation zugelassen; der strafrechtlichen Berücksichtigung stehe das Kompensationsverbot nicht entgegen, vgl. Beschluss vom 23. Oktober 2018 (1 StR 243/17, Rn. 69 ff.).
Auch wenn die Transaktionen auf Scheinrechnungen hin erfolgten, sodass diese Ausgaben dem Grunde nach gem. § 41 Abs. 2 S. 1 AO für die Besteuerung unerheblich waren, wurde das verdeckte Rechtsgeschäft als maßgeblich betrachtet, sodass § 41 Abs. 2 S. 2 AO gelte. Mithin wurde die mit den russischen Investoren getroffene Vereinbarung über die Kaufpreisrückerstattung als wirksam betrachtet.