Wirtschaftsstrafrecht

Sprachliche Gleichsetzung der Termini  Nachteil und Schaden bei Betrug § 263 StGB und Untreue § 266 StGB

schadensgleiche Vermögensgefährdung

auch zum HSH Nordbank Fall

 

Im Strafrecht wird ein einheitlicher Vermögensbegriff verwendet. Auch soll nach verbreiteter und vornehmlicher Auffassung der bisherigen Rechtsprechung und des Schrifttums der Begriff des Nachteils i.S.d. § 266 StGB mit dem des Schadens i.S.d. § 263 StGB identisch sein. Die Gleichsetzung der Begrifflichkeiten „Schaden“ und „Nachteil“ darf gleichwohl bezweifelt werden.

Die Begriffe Nachteil und Schaden sollen – so wohl auch das Bundesverfassungsgericht – zumindest umgangssprachlich als Synonyme verwendet werden, denn ein „Nachteil“ soll ein „Schaden, Verlust oder eine ungünstige Lage sein“,  vgl. BVerfGE 126, 170 dort Rz. 93.

Wenn jedoch auf eine derartige Definition des Wortsinns zurückgegriffen wird, wird verkannt, dass der Schaden eben gerade nur eine Teilmenge des Nachteils ist. Denn der Nachteil ist nach dieser Definition entweder ein Schaden oder(!) ein Verlust oder eine ungünstige Lage. Damit wäre der Begriff des Nachteils jedenfalls weiter als der des Schadens. Wenn dementsprechend ein Nachteil auch eine ungünstige Lage – in Bezug auf § 266 StGB ungünstige Vermögenslage – sein kann, dann wäre auch die Bedeutung hinsichtlich der Abgrenzung einer sog. schadensgleichen Vermögensgefährdung unnötig. Denn „ungünstig“ bedeutet nichts anderes als „negative Wirkung habend“, vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Auflage, S. 983. Eine ungünstige Vermögenslage bedeutete damit wiederum nichts anderes, als dass in Bezug auf § 266 StGB die Pflichtwidrigkeit eine negative Wirkung haben muss. Damit müsste kein tatsächlicher Schaden eingetreten sein, sondern es genügte gerade eine negative Wirkung auf das Vermögen. Gestützt wird dies auch durch beispielhafte Aufzählungen zum Nachteil, die insbesondere einen „finanziellen Nachteil“ enthalten.

Im Gegensatz hierzu bedeutet der Begriff „Schaden“ „Einbuße“ oder auch „Verlust“. Es wird mithin nicht von einer ungünstigen Lage gesprochen. Vielmehr wird von einem Schaden nur bei Verlust oder Zerstörung  eines Wertes gesprochen, vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Auflage, S. 668. Der materielle Wert muss sich demnach verringert haben.

Ergründet man den Terminus „Nachteil“, ergibt sich das Folgende: Nachteil ist das Antonym zu Vorteil und stammt aus dem 15. Jahrhundert. „Nachteil“ ist „ein ungünstiger Umstand; etwas, was sich für jemanden gegenüber anderen negativ auswirkt“. Damit müsste sich beispielhaft die pflichtwidrige Kreditvergabe für das Kreditinstitut „lediglich“ negativ (auf das Vermögen) auswirken. Freilich müsste der Nachteil dennoch quantifizierbar sein; er müsste sich – in welcher Art auch immer –  zahlenmäßig ausdrücken lassen.

Gleichsetzung von Nachteil und Schaden

Zwar sollen die Begriffe Nachteil und Schaden zumindest umgangssprachlich als Synonyme verwendet werden, so das BVerfG. Indes wird man die rechtliche Deckungsgleichheit selbst unter Berücksichtigung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung bezweifeln dürfen und müssen. Im Ergebnis ist schon der Terminus „Nachteil“ weiter als derjenige des Schadens, sodass letztlich auch die Gefahrensituationen, mithin die sog. schadensgleiche Vermögensgefährdung, vom Begriff des Nachteils erfasst wird. Insoweit kann zwar nicht auf eine Quantifizierung eines solchen Nachteils verzichtet werden. Dennoch kann der Terminus „Gefährdungsschaden“ bzw. „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ durch den des „Nachteils“ zumindest im Tatbestand der Untreue ersetzt werden.

Unabhängig davon, ob man die Gefahrensituation als Nachteil begreift und für diese Situationen den Terminus Nachteil verwendet, oder aber die Gleichstellung von Schaden und Nachteil favorisiert – und damit auch die Doktrin der schadensgleichen Vermögensgefährdung rekrutiert – darf dies nicht dazu führen, dass das vom Gesetzgeber bewusst gewählte Fehlen der Versuchsstrafbarkeit unterlaufen wird. Entscheidend muss also darauf geachtet werden, dass klare Kriterien zur Abgrenzung bzw. Quantifizierung des Nachteils aufgefunden werden; eine Produktion von Phrasen ist dabei wenig gefällig.

Insofern bleibt auch als Zwischenergebnis lediglich festzuhalten, dass sowohl die Versuche Lenckners als auch diejenigen von Matt/Saliger oder der bisherigen Rechtsprechung mehr oder minder als Faustformeln zu qualifizieren sind, so auch FS-Samson-Joecks, S. 359. Vielmehr – nicht anders ist wohl der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 170) zu verstehen – könnte man außerstrafrechtliche Gebiete heranziehen, um sich der Problematik zu nähern.

Deutlich wird man– dem Hinweis des BVerfG folgend – mit Bewertungsverfahren, die aus der Betriebswirtschaftslehre bekannt sind, die größten Erfolge verbuchen können. Denn unter Umständen stellt sich das Thema als Scheinproblematik heraus, wenn man bedenkt, dass beispielhaft durch die pflichtwidrige Vergabe eines Kredits im Tatzeitpunkt längst ein Schaden bzw. Nachteil am Firmen- oder Unternehmenswert der Gesellschaft oder an der Kreditforderung selbst eingetreten ist. Insoweit käme es auch nicht darauf an, ob die Begrifflichkeiten „Nachteil“ und „Schaden“ synonym verwendet werden können. Denn es läge bereits ein Nachteil bzw. Schaden vor, ohne dass dabei die Versuchsstrafbarkeit unterlaufen würde oder gar mit Faustformeln jongliert werden müsste.

Nehmen wir etwa wieder den vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden Fall der Untreue von Vorständen einer Bank, die in ihrer Funktion auch mit der Vergabe von Krediten befasst waren und Kredite selbst nach Zahlungsschwierigkeiten ausgekehrt haben. Der Wert (oder besser Verkehrswert) der im Bestand gefährdeten (Kredit-)Forderung stand hinter derjenigen einer vollwertigen Forderung zurück. Denn eine Risikoerhöhung führte jedenfalls wirtschaftlich betrachtet zu einem Schaden, da ein potentieller Käufer einer solchen gefährdeten Forderung augenscheinlich nicht mehr zahlen würde, als er eintreiben zu können glaubt, vgl. auch FS-Samson-Joecks, S. 366. Könnte man diesen Minderwert der Forderung unter Zuhilfenahme von Bewertungsverfahren quantifizieren, wäre dann nicht bereits ein Schaden zum Tatzeitpunkt durch die pflichtwidrige Vergabe eingetreten? Na klar! Die Figur des „Gefährdungsschadens“ muss hier erst gar nicht konstruiert werden.

Gerade diese Problematik wird wohl auch das Landgericht bei seiner erneuten Entscheidung wegen Untreue der Bankenmanager der HSH Nordbank – etwa Dr. Nonnenmacher – heranziehen müssen und tut es auch. So wurde ein Professor aus der Wirtschaft mit einem Gutachten zu wirtschaftlichen Werten beauftragt, um eben diesen Nachteil zu quantifizieren.

 

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