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Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Hörfunk-Moderator und Redakteur

Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Hörfunk-Moderator und Redakteur; Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren; Formgerechte Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache; Bezeichnung einer abstrakten und aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage

Bundessozialgericht, B-12-R-36/18-B

Beschluss vom 22.12.2018

Orientierungssatz:

  1. Für die formgerechte Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung ausgeführt werden, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.
  2. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist für die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge unverzichtbar.

Gründe:

I

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Moderator und Redakteur für den klagenden Hörfunksender in der Zeit vom 1.4.2002 bis 30.11.2013 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

2

Nachdem der Beigeladene für die Klägerin zunächst als Techniker tätig war, war er seit Juni 1997 als Moderator und Redakteur tätig. Beide trafen hinsichtlich der Tätigkeit vertragliche Vereinbarungen, zuletzt in einem „Vertrag für freie Mitarbeiter“ vom 26.3.2002. Im Rahmen eines vom Beigeladenen initiierten Statusfeststellungsverfahrens stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass er aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag (Bescheid vom 1.10.2014). Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 2.2.2015). Das SG hat der Klage der Klägerin stattgegeben und die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 4.3.2016). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 18.5.2018). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beigeladene gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

3

Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 18.5.2018 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Beigeladene hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

– die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

– das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

– bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 – B 12 KR 62/04 B – SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).

5

Der Beigeladene beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 23.7.2018 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und macht das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

6

Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 – B 13 R 347/11 B – SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 – 8/3 BK 28/77 – SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

7

Der Beigeladene macht geltend, das LSG habe zu Unrecht der Tatsache, dass er sich zu einer bestimmten Zeit im Sender habe befinden müssen, keinen Indiz-Charakter beigemessen. Hierfür habe es keine technischen Gründe gegeben, weil er die Sendungen vollständig und problemlos vollständig von seinem Zuhause aus habe erstellen können. Für diese Tatsache sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten worden. „Diese Rechtsfrage“ könne vom Revisionsgericht „durch Auslegung des § 25 Abs 1 S 1 SGB III“ unter Beachtung der allgemein anerkannten Auslegungskriterien beantwortet werden. Die heute technischen Möglichkeiten habe das BSG „damals selbstverständlich“ noch nicht berücksichtigen können, sodass heute die Festlegung auf Zeit und Ort der Arbeitsausführung sich nicht mehr aus technischen Gegebenheiten erkläre und damit keine Indizwirkung haben könne. Zudem habe das LSG darauf abgestellt, dass eine ständige Dienstbereitschaft oder die Heranziehung in nicht unerheblichem Umfang ohne Abschluss entsprechender Vereinbarungen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche. Das Merkmal der ständigen Dienstbereitschaft gehe jedoch an den tatsächlichen Lebenssachverhalten komplett vorbei, da sich die Radiosender einer klaren Disposition durch die Erstellung von Dienstplänen bedienen würden.

8

a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 – B 7 AL 142/02 B – SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht, weil der Beigeladene keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 – B 12 KR 51/15 B – Juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 – B 10 ÜG 3/14 B – Juris RdNr 11 mwN).

9

b) Unabhängig hiervon legt der Beigeladene weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit der von ihm (sinngemäß) in den Raum gestellten Fragen dar. Insbesondere befasst er sich trotz entsprechender Hinweise im angefochtenen Urteil des LSG nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und (abhängiger) Beschäftigung. Er behauptet insoweit lediglich, dass eine von ihm nicht näher präzisierte Entscheidung des BSG lediglich zum damaligen Stand der Technik ergangen sei. Darüber hinaus fehlen Ausführungen zu dem nach der Rechtsprechung des BSG zu bewertenden Gesamtbild der Tätigkeit. Schließlich macht der Beigeladene im Kern seines Vorbringens lediglich eine seiner Meinung nach bestehende Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

10

Auch einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hat der Beigeladene nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise bezeichnet (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 – B 13 RJ 179/03 B – SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 – B 5a/5 R 382/06 B – SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4 – jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 202 ff). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

11

a) Der Beigeladene behauptet, das LSG sei seinen Beweisanträgen nicht nachgegangen. Damit rügt er sinngemäß einen Verstoß gegen § 103 SGG und macht in diesem Zusammenhang auch einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend.

12

Einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel bezeichnet der Beigeladene damit jedoch nicht.

13

Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Mit der Beschwerdebegründung wurde schon nicht aufgezeigt, dass der Beigeladene im Verfahren vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt hat (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 – B 9a VJ 5/06 B – SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 – B 13 R 372/14 B – Juris RdNr 10 mwN). Der Beigeladene führt lediglich aus, die Zeugin G. sei im Schriftsatz vom 6.9.2016 als Zeugin für die Tatsache benannt worden, dass der Beigeladene zum Abschluss des freien Mitarbeitervertrages und zur Beendigung des Arbeitsvertrages gezwungen wurde, da er dies entweder so akzeptieren würde oder „raus sei“. Inwieweit es sich dabei überhaupt um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag handelt und darüber hinaus, inwieweit das vermeintlich unter Beweis gestellte Vorbringen im Hinblick auf die entscheidende Frage des Vorliegens einer (abhängigen) Beschäftigung Relevanz entfaltet, kann der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden. Schließlich fehlen auch Ausführungen dazu, inwieweit der Beigeladene seinen vermeintlichen Beweisantrag bis zur Entscheidung des LSG – vorliegend ohne mündliche Verhandlung – aufrechterhalten hat. Entsprechende Ausführungen, etwa zur Aufrechterhaltung in der letztmaligen Einverständniserklärung nach § 124 Abs 2 SGG im Schriftsatz vom 26.1.2018 (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18c mwN) sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für den in diesem Zusammenhang vom Beigeladenen behaupteten Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

14

b)

Soweit der Beigeladene auf Seite 3 f der Beschwerdebegründung eine seiner Meinung nach bestehende Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung wegen einer ihn nicht überzeugenden Argumentation behauptet, zeigt er keinen Verfahrensmangel in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise auf.

15

c)

Auch einen Verstoß gegen § 124 Abs 2 SGG bezeichnet der Beigeladene nicht in zulässigkeitsbegründender Weise. Insoweit macht er zweierlei geltend: Die Berichterstatterin des LSGSenats habe in einem Erörterungstermin erklärt, „sie“ gehe von (abhängiger) Beschäftigung aus. Zusätzlich seien Honorarrechnungen angefordert und der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Hätte er von der „Änderung im Vorsitz“ und von der „Änderung in der Rechtsansicht“ gewusst, hätte er niemals seine Einverständniserklärung nach § 124 Abs 2 SGG im Schriftsatz vom 26.1.2018 abgegeben.

16

Hierdurch bezeichnet der Beigeladene keinen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel. Er legt bereits nicht dar, inwieweit überhaupt eine im Rahmen eines allein von der Berichterstatterin des LSG-Senats durchgeführten Erörterungstermins (möglicherweise, vgl Niederschrift vom 23.11.2016) geäußerte Rechtsansicht der Berichterstatterin überhaupt geeignet sein kann, bei einem Beteiligten die sichere bzw schützenswerte Erwartung auszulösen, der aus fünf Richterinnen und Richtern bestehende Spruchkörper werde genauso entscheiden. Dies gilt umso mehr, als nach dem Erörterungstermin weitere Unterlagen in Form von Honorarabrechnungen angefordert wurden. Schließlich befasst sich der Beigeladene nicht damit, dass er nach Durchführung des Erörterungstermins und nach Anforderung der Honorarabrechnungen ausdrücklich im Schriftsatz vom 26.1.2018 vorbehaltlos sein weiter bestehendes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hat.

17

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

18

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Normen:

SGG:160/2/1

Verfahren

  • LSG Baden-Württemberg vom 18.05.2018, L 4 R 1487/16
  • SG Mannheim vom 04.03.2016, S 16 R 420/15

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