RechtsprechungSteuerrecht

Umsatzsteuerfreiheit Seniorenwohnanlage

Umsatzsteuerfreiheit bei Leistungen, welche im Rahmen des Betriebs einer Seniorenwohnanlage auf Basis verschiedener Verträge erbracht werden

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 4-V-135/17

Beschluss vom 29.01.2019

Orientierungssatz:

Zur Frage der (partiellen) Umsatzsteuerfreiheit bei Leistungen, welche im Rahmen des Betriebs einer Seniorenwohnanlage auf Basis verschiedener Verträge erbracht werden. Trennung der verschiedenen Leistungen (Wohnraumüberlassung/Betreuungsleistung / sonstige Zusatzleistungen) und separate steuerliche Beurteilung; Ausführung zu § 4 Nr. 16 UStG in seiner ab 2009 geltenden Fassung sowie zur übergangsweisen Anwendung der vorherigen Fassung und zur Anwendung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in der Zeit vor 2009, in der Zeit ab 2009 und in der Zeit ab 2009 unter Berücksichtigung der übergangsweisen Anwendbarkeit der alten Rechtslage.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über diverse Feststellungen, welche im Rahmen einer Betriebsprüfung (BP) beim Antragsteller für die Streitjahre 2009 – 2011 getroffen und vom Antragsgegner in den streitgegenständlichen Bescheiden umgesetzt wurden.

Der Antragsteller meldete zum 1. Juli 2009 den Betrieb „Betreutes Wohnen“ (Haus A) in C an und erzielte mit diesem Betrieb gewerbliche Einkünfte. Die gewerblichen Einkünfte wurden nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – ermittelt und gesondert festgestellt.

Das Haus A verfügt über 18 Appartements, die zwischen 16,90 qm und 40,90 qm groß sind. Bei dem Haus handelt es sich nicht um ein Heim i.S.d. § 1 des Heimgesetzes (HeimG) und auch das Wohn- und Betreuungsgesetz findet keine Anwendung. Nach Angaben des Antragstellers wohnten im Streitzeitraum im Haus A ausschließlich hilfs- und pflegebedürftige Personen sowie Bezugsberechtigte nach § 61 SGB XII, die Leistungen erhalten, die eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbunden sind. Nach vorgelegten Unterlagen wurde 14 Personen eine Pflegestufe zugewiesen. Die Pflege wurde von geeigneten Personen erbracht (z.B. Diakonie E, ehrenamtlich tätige Angehörige). Diesbezüglich wurde mit den Bewohnern, die von der Diakonie E betreut wurden, ein Pflegevertrag mit der Diakonie abgeschlossen.

Der Kläger erbrachte seine Leistungen auf Grundlage von sog. Seniorenmietverträgen einerseits und separaten Wahlserviceverträgen andererseits.

  • Die Seniorenmietverträge hatten zunächst die Vermietung des jeweiligen Zimmers mit entsprechender Ausstattung zum Gegenstand. Die Zimmer waren alternativ bspw. wie folgt ausgestattet: Balkon/Terrasse, Notrufanlage, Telefonanschluss, Bad, Pantryküche. Im besonderen Fall konnte zudem die Einrichtung vom Vermieter durch Pflegebett, Nachtschrank, Kleiderschrank, Fernseher, Tisch, Lampe etc. unterstützt werden; das Haus hielt außerdem Gemeinschaftsräume bereit. Die Mietverträge waren jedoch nicht einheitlich; zudem sind nicht alle Mietverträge vorhanden.

Die vereinbarte Miete bestand grds. aus einem qm-Preis x der Grundfläche des Appartements sowie teilweise aus einer sog. „Betreuungspauschale“. Die damit abgegoltenen Leistungen des Antragstellers beinhalteten neben der Raumüberlassung weitere Leistungen wie z.B. Heizung, Wasser, Strom, Abfall, 1x wöchentliche Fußbodenreinigung, Hausmeisterleistung wie Auswechseln einer Glühbirne, Aufhängen eines Bildes, Pflege der Gemeinschaftsanlagen und des Gartens, Beratung und Organisation von Hilfsmitteln, Vermittlung von Arzt, Therapeuten, Apothekendienst, Koordination eines harmonischen Miteinanders im Haus, kleine Dienstleistungen im Appartement, Umzugshilfe.

Die Handhabung der sog. „Betreuungspauschale“ war dabei nicht einheitlich. Z.T. wurde dieser Pauschale ein vertraglicher Anteil am Gesamtpreis von 100,- EUR zugewiesen; teilweise wurde die Pauschale auch auf einem separaten Dokument vereinbart; teilweise wiederum wurde lediglich eine Gesamtmiete ohne Pauschale vereinbart und bestimmte „Betreuungsleistungen“ als Bestandteil der Vertragsleistungen im Vertragsdokument beschrieben. Als „Betreuungsleistungen“ in diesem Sinne wurden u.a. folgende Leistungen benannt (wobei auch hier die Handhabung nicht einheitlich war): Tag und Nacht besetztes Notruftelefon, Erste Hilfe im Notfall vor Ort, tägliche Wohlbefindlichkeitskontrolle, 2x mtl. Hilfe beim Bettbeziehen.

  • Die von den Mietverträgen gesondert angebotenen (Wahl-)Leistungen wurden je nach Bedarf und freier Entscheidung der Bewohner auf Basis separater Wahlserviceverträge vereinbart. In diesem Zusammenhang waren bspw. folgende Leistungen wählbar, wobei der Leistungsumfang grds. unabhängig vom Mietvertrag eingeschränkt oder erweitert werden konnte: Fahr-, Begleitservice, Ernährungsberatung, Freizeitangebote, Einzelspaziergang, Mahlzeiten (Frühstück / Mittag / Abendessen), Wäschedienst, Zimmerreinigung.

In seinen Steuererklärungen für die Streitjahre machte der Antragsteller folgende Angaben:

  • 2009: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 32.991 EUR
  • 2010: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 62.700 EUR
  • 2011: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 73.800 EUR

Die Angaben wurden nach Aktenlage zunächst unverändert in erstmaligen Bescheiden – jeweils vom 26. September 2013 – über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2009, 2010, 2011 umgesetzt; Erklärungen oder erstmalige Bescheide zur Umsatzsteuer sind zunächst nicht ergangen.

In der Zeit vom 15. Februar bis 20. April 2016 fand beim Antragsteller eine Betriebsprüfung (BP) statt; die Ergebnisse sind im Betriebsprüfungsbericht vom 4. Oktober 2016 zusammengefasst. Im Rahmen der Prüfung stellte die Prüferin fest, dass es sich bei den vom Antragsteller erklärten Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben um geschätzte Beträge handelte; daraufhin wurden vom Antragsteller sukzessive weitere Gewinnermittlungen mit Einzelaufzeichnungen eingereicht, die die bislang erklärten Werte z.T. erheblich überschritten. Daraufhin wurde am 17. Februar 2016 ein Strafverfahren gegen den Antragsteller eingeleitet. Mit Datum vom 26. Februar 2016 reichte der Antragsteller wiederum geänderte Anlagen EÜR ein, aus denen sich Gewinnminderungen ergaben; zudem machte er im Streitjahr 2011 einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG in Höhe von 35.860 EUR geltend.

Die Prüferin traf diverse Feststellungen und kam im Ergebnis zu erhöhten Gewinnen aus Gewerbebetrieb in Höhe von:

  • 2009: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 43.939,72 EUR
  • 2010: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 95.754,20 EUR
  • 2011: Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gewinn): 170.528,21 EUR.

Dabei legte die Prüferin die vom Antragsteller korrigierten und im Rahmen der Prüfung eingereichten Gewinnermittlungen zugrunde und errechnete von diesen Werten ausgehend die Mehrergebnisse anhand der von ihr getroffenen Prüfungsfeststellungen. Die Prüfungsfeststellungen sind in den Anlagen 1-23 des Betriebsprüfungsberichts zusammengestellt. Streitig sind nach Aktenlage die nachstehenden Feststellungen der BP:

  • Anlage 2 / Tz. 5; ertragsteuerliche Behandlung von Pflegegeldern:

Nach den Feststellungen der BP sind in den Streitjahren Pflegegeldzahlungen auf dem Konto des Antragstellers als steuerfreie Einnahmen (2009: 9.525,00 EUR, 2010: 24.110 EUR, 2011: 28.450,00 EUR) und die Personalkosten, welche mit den Pflegegeldzahlungen im Zusammenhang standen (2009: 1.200,00 EUR, 2010: 9.000,00 EUR, 2011: 0 EUR), nicht als Betriebsausgaben erfasst worden. Nach Ansicht der BP waren die Einnahmen jedoch steuerpflichtig, da weder § 3 Nr. 1a EStG noch § 3 Nr. 36 EStG anwendbar sei. Die Personalkosten seien folglich als Betriebsausgaben zu erfassen. Der jeweilige Differenzbetrag zwischen den Einnahmen und Ausgaben (2009: 8.325,00 EUR, 2010: 15.110,00 EUR, 2011: 28.450,00 EUR) wurde dem Gewinn hinzugerechnet.

  • Anlage 3 / Tz. 26b; umsatzsteuerliche Behandlung der Umsätze des Antragstellers:

Der Antragsteller kann sich nach Auffassung der BP als Betreiber eines privaten Altenheims nicht auf eine Befreiungsvorschrift berufen. Der Antragsteller erbringe seine Leistungen einerseits auf Basis von sog. Seniorenmietverträgen und andererseits auf Basis von sog. Wahlserviceverträgen. Insbesondere aufgrund dieser getrennten Verträge und der Tatsache, dass die Leistungen nicht gekoppelt in Anspruch genommen werden müssten (Verweis auf BFH-Urteil vom 4. Mai 2011, XI R 35 /10), sei von zwei eigenständigen Leistungen – der Vermietung einerseits und den Betreuungsleistungen andererseits – auszugehen.

Bei den Mietverträgen sei wiederum zu differenzieren: Die Überlassung der Wohnräume (nebst untrennbaren Nebenleistungen) falle unter die Befreiungsnorm des § 4 Nr. 12a UStG. Die daneben ausgeführten Leistungen der Betreuung / Pflege könnten nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 UStG von der Umsatzsteuer befreit sein. Bei den Wahlserviceverträgen komme allein eine Befreiung nach § 4 Nr. 16 UStG in Betracht.

Sonach sei zunächst aus dem im Rahmen der Mietverträge erbrachten Leistungsbündel der auf die Wohnraumüberlassung (nebst untrennbarer Nebenleistungen) entfallene – gem. § 4 Nr. 12a UStG steuerfreie – Entgeltanteil herauszurechnen. Dieser sei im Schätzungswege mit 15,00 EUR/qm anzusetzen (die durchschnittliche Miete der Bewohner belief sich auf 28,00 EUR/qm, sodass die Differenz von 28,00 EUR ./. 15,00 EUR = 13 EUR/qm auf die im Rahmen der Mietverträge – außerhalb der Wahlserviceverträge – erbrachten Betreuungsleistungen entfiel). Die steuerfreien Entgelte beliefen sich damit in Summe auf 2009: 36.216,30 EUR, 2010: 78.582,60 EUR, 2011: 96.483,60 EUR.

Bzgl. der übrigen Leistungen – also bzgl. der im Rahmen der Mietverträge nicht der Wohnraumüberlassung dienenden Leistungen und bzgl. der im Rahmen der Wahlserviceverträge erbrachten Leistungen – greife keine der Befreiungsvorschriften des § 4 Nr. 16 UStG (in Einzelnen konkret: § 4 Nr. 16d a.F. UStG, § 4 Nr. 16c UStG, § 4 Nr. 16d UStG, § 4 Nr. 16g UStG, § 4 Nr. 16a-j UStG, § 4 Nr. 16k UStG) ein.

  • Anlage 4 / Tz. 6; Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g EStG:

Im Jahre 2011 ist ein Abzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG geltend gemacht worden. Dies sei gem. § 7g Abs. 1 Nr. 1c EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung nur möglich, wenn der Gewinn von 100.000 EUR – ohne Berücksichtigung des Abzugsbetrags – nicht überschritten werde. Da der Gewinn über diesem Betrag liege, sei der Abzug unzulässig.

  • Anlage 7 / Tz. 9; fehlende Aufwandsbelege (Betriebsausgabenabzugs für Schränke:

Verschiedene Betriebsausgaben für die Anschaffung von Schränken seien nicht anzuerkennen, da entsprechende Belege fehlten.

  • Anlage 12 / Tz. 14; AfA für Inventar:

Nach den Feststellungen der BP konnten AfA-Beträge auf das Inventar nur in Höhe von insgesamt 36.910,87 EUR anerkannt werden; die höher erklärten Werte (insgesamt 55.467,00 EUR) basierten auf doppelt bzw. überhöht in Anspruch genommener AfA.

  • Anlage 15 / Tz. 17; Familienheimfahrten:

Der Antragsteller habe in den Jahren Aufwendungen für Familienheimfahrten i.H.v. 2009: 2.512,00 EUR, 2010: 1.134,00 EUR und 2011: 1.134,00 EUR geltend gemacht. Die hierzu ergangene Anfrage mit Schreiben vom 13. März 2016 sowie die von der BP angeforderten Belege über diese Positionen seien jedoch nicht beantwortet bzw. beigebracht worden. Es sei daher nicht bekannt, wie die Summen berechnet worden seien und wann mit welchen Fahrzeugen die Fahrten durchgeführt worden seien. Es würden 12 Heimfahrten pro Jahr geschätzt. Da jedoch die Kosten für das Kfz G bereits vollständig als Betriebsausgaben berücksichtigt worden seien, greife die Abzugsbeschränkung gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG.

  • Anlage 16 / Tz. 18; doppelte Haushaltsführung:

In 2011 seien Kosten in Höhe von 6.000,- EUR für eine doppelte Haushaltsführung geltend gemacht worden; eine gestellte Anfrage sei jedoch nicht beantwortet und Belege nicht vorgelegt worden.

  • Anlage 18, Tz. 20; Kinderbetreuungskosten:

Die in den vorgelegten (geänderten) Erklärungen des Antragstellers geltend gemachten Kinderbetreuungskosten könnten nicht anerkannt werden, da die mit Schreiben vom 14. März 2016 angeforderten Aufwandsbelege nicht vorgelegt worden seien.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO, § 35b Abs. 1 GewStG geänderten Bescheiden 2009 – 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag sowie über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen – alle jeweils vom 13. Oktober 2016 – setzte der Antragsgegner die Ergebnisse der Betriebsprüfung entsprechend um. Zudem erließ das Finanzamt – unter Berücksichtigung der entsprechenden Prüfungsfeststellung gem. Anlage 3 des Berichts – ebenfalls mit Datum vom 13. Oktober 2016 erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 – 2011, in denen folgende Umsatzsteuerbeträge festgesetzt wurden:

  • 2009: 3.963,61 EUR
  • 2010: 23.026,33 EUR
  • 2011: 41.477,86 EUR.

Gegen sämtliche Bescheide legte der Antragsteller am 10. November 2016 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung – AdV -. In der Sache wandte er sich in der Einspruchsbegründung vom 5. Dezember 2016 gegen folgende Punkte:

  • Die Pflegegelder (Anlage 2 / Tz. 5 des BP-Berichts) würden den Bedürftigen per Bescheid gewährt und dem Antragsteller lediglich zur Verwaltung / Abwicklung / Weiterleitung ausgezahlt. Es handle sich daher lediglich um durchlaufende Posten. Die Pflegegelder seien nie in Rechnung gestellt worden; natürlich wäre es auch möglich gewesen, die Gelder auf ein separates Konto einzuzahlen; dieses hätte dann aber auch angegeben und geprüft werden müssen. Nur weil die Gelder auf dem Konto von Haus A eingegangen seien, sei doch damit nicht zweifelsfrei bestätigt, dass es sich um Einnahmen handle. Er – der Antragsteller – habe bereits mit früherem Schreiben dargelegt, dass das Pflegegeld immer nur den Pflegebedürftigen selbst zur eigenverantwortlichen Absicherung der ehrenamtlich erbrachten Pflege (Leistung einer Aufwandsentschädigung) gezahlt werde; da die Bewohner ihre Geldgeschäfte nicht mehr selbst ausführen könnten, werde das Geld lediglich treuhänderisch auf das Konto des Hauses A gezahlt. Das Finanzamt habe es sich dann passend gemacht, indem es die Weiterleitung einfach als Betriebsausgaben umfunktioniert habe.

  • der umsatzsteuerlichen Behandlung (Anlage 3 / Tz. 26b) könne sich der Betreiber eines privaten Altenheims auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen; insoweit werde auf diverse BFH-Urteile verwiesen. Darüber hinaus sei die Tätigkeit aber auch nach § 4 Nr. 16 a-k UStG von der Umsatzsteuer befreit (Verweis auf BMF-Schreiben vom 20. Juli 2009, BStBl. I 2009, 774). Insbesondere seien in weit über 40 % der Fälle die Betreuungs- und Pflegekosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung bzw. der Sozialhilfe übernommen worden. Soweit die Zahlungen von den Bewohnern direkt erfolgt seien, sei dies kein Beweis des Gegenteils; insoweit handle es sich lediglich um weitergeleitete Zahlungen der Sozialversicherungsträger, welche in den Folgejahren unmittelbar durch diese Träger erbracht worden seien. Insoweit habe auch die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen eine Steuerbefreiung angenommen (Verweis auf FG Nürnberg, Urteil vom 30. September 2010, EFG 2011, 391 und BFH-Urteil vom 19. März 2013, XI R 45/10). Er – der Antragsteller – habe der Betriebsprüfung zu jedem Mietvertrag die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt, aus denen hervorgehe, dass bei über 40 % der Bewohner die Leistungen von den Sozialversicherungsträgern gezahlt worden seien und wer der Empfänger der über sein Konto geflossenen Pflegegelder gewesen sei. Leider seien die Unterlagen nicht gewürdigt worden. Außerdem würden im Haus A Pflegeleistungen durch geeignete Pflegekräfte erbracht werden. Da somit zweifelsfrei die Möglichkeit bestehe, Verträge mit Pflegekassen abzuschließen, reiche dies aus; die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 SGB XI lägen vor, ohne dass es auf weitere Bedingungen ankäme. Falsch sei i.Ü. auch die Schätzung der steuerfreien Miete. Bei dem Ansatz der Betriebsprüfung (Miete 2009: 36.216,30 / 2010: 78.582,30 / 2011: 96.483, 60) sei ein qm-Preis von 15,- EUR zugrunde gelegt worden; richtig wäre indes ein Preis von 25,- EUR/qm.

  • Der Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g EStG (Anlage 4 / Tz. 6) sei zu gewähren, weil der Gewinn unter 100.000,- EUR liege.

  • des Betriebsausgabenabzugs für die Schränke (Anlage 7 / Tz. 9) werde der Antragsteller die Kostenbelege nachreichen.

  • der AfA für das Inventar (Anlage 12, Tz. 14) seien noch weitere Feststellungen erforderlich.
  • Die Anzahl der von er Betriebsprüfung zugrunde gelegten Familienheimfahrten (Anlage 15 / Tz. 17) sei nicht zutreffend und willkürlich.

  • Der Aufwand für die doppelte Haushaltsführung (Anlage 16 / Tz. 18) sei anzuerkennen. Es sei unlogisch, einerseits Familienheimfahrten anzuerkennen, andererseits aber die doppelte Haushaltsführung in Abrede zu stellen.

  • Die Kinderbetreuungskosten (Anlage 18, Tz. 20) seien angefallen und daher zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 lehnte das Finanzamt den AdV-Antrag ab. Dass eine Schlussbesprechung nach der BP nicht stattgefunden habe, sei vom Finanzamt nicht zu vertreten. Hinsichtlich der vom Antragsteller gerügten Punkte (Pflegegelder / Umsatzsteuer, Umfang Mieteinnahmen / Investitionsabzugsbetrag / Betriebsausgabenabzug / Abschreibung Inventar / Familienheimfahrten / doppelte Haushaltsführung / Kinderbetreuungskosten) wurde an der von der Betriebsprüfung vertretenen Auffassung festgehalten und dies im einzelnen dargelegt.

Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit Einspruch vom 19. Dezember 2016. Mit Schreiben vom 3. Januar 2017 bat das Finanzamt um Übersendung von Übersichten bzgl. der einzelnen Heimbewohner, von Aufzeichnungen bzgl. des gesamten Entgelts für die jeweils erbrachten Leistungen, von Nachweisen über die Höhe des jeweiligen Kostenersatzes durch den Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe (Abrechnungsunterlagen), von Aufzeichnungen bzgl. der Summe der gesamten Fälle sowie der Summe der Fälle mit einer überwiegenden Kostentragung durch den Sozialversicherungsträger, von Mietverträgen, von Aufzeichnungen bzgl. der weitergeleiteten Pflegegelder aus denen ersichtlich wird, welche Personen die Gelder erhalten haben und von Zahlungsnachweisen für weitergeleitete Pflegegelder (Bankkontoauszüge).

Am 1. März 2017 reichte der Antragsteller ein Schreiben und einen Ordner mit Anlagen (Ordner Notiz) ein, aus denen sich folgende Angaben entnehmen ließen: Größe der Appartements, Name des Bewohners, Datum des Einzugs und des Todes bzw. der Kündigung, teilweise Mietverträge und Wahlserviceverträge, Angaben zur Miete (inkl. Betreuungspauschale), Reinigung, Verpflegung, Pflegegeld, Betreuungspauschale und BTL, (teilweise) weitere Informationen zu Pflegepersonen, Erstattungen der Pflegekasse Sozialversicherungsträger, Pflegestufen.

Die Daten wurden vom Antragsgegner in einer Tabelle zusammengefasst, in welcher u.a. die Kostenpositionen den Erstattungsbeträgen gegenübergestellt wurden. Darüber hinaus hat der Beklagte eine Auswertung der Unterlagen danach vorgenommen, welche monatlichen Kosten in welchem Appartement jeweils angefallen sind und in welchem Umfang in den jeweiligen Monaten welche Erstattungszahlungen erfolgten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 2017 wurde der Einspruch gegen die Ablehnung der AdV als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Hinblick auf die streitigen Positionen im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

  • Eine (Einkommen-)Steuerfreiheit der Pflegegelder nach § 3 Nr. 1a EStG komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift allein die Leistungen der Pflegekassen an die pflegebedürftigen Personen erfasse; im Streitfall jedoch handle es sich um Zahlungen der Pflegebedürftigen an den Kläger. Da eine zweckgebundene Weiterleitung der Gelder durch entsprechende Aufzeichnungen / Zahlungsnachweise nicht nachgewiesen sei, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um durchlaufende Posten gehandelt habe. Auch eine (Einkommen-)Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 36 EStG scheide aus. Danach seien Leistungen an eine Pflegeperson bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI steuerfrei, wenn diese von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder anderen Personen, die zur Pflege sittlich verpflichtet sind, erbracht werden. Die Norm komme nicht zur Anwendung, wenn ein Fall der gewerbsmäßigen / hauptberuflichen Pflege vorliege.

  • Die umsatzsteuerliche Behandlung sei anhand der vorgelegten Unterlagen ebenfalls nicht zu beanstanden. Werde mit den Bewohnern eines Altenheims einerseits ein Vertrag über die Aufnahme in das Heim und andererseits daneben auch ein Vertrag über Leistungen zur Betreuung abgeschlossen, handle es sich um zwei voneinander zu trennende Leistungen, wobei die Wohnraumüberlassung grundsätzlich nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei sei. Für die übrigen Leistungen komme – soweit die Voraussetzungen vorlägen – eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG in Betracht (Verweis auf BFH-Urteil vom 4. Mai 2011, XI R 35/10). Im Streitfall sei bezogen auf die Wohnraumüberlassung unstreitig von einer Steuerfreiheit auszugehen; bzgl. der übrigen Leistungen indes nicht.

Die gem. § 4 Nr. 12a UStG steuerfreien Einnahmen für die Wohnraumüberlassung – einschließlich der damit verbundenen unselbständigen Nebenleistungen wie z.B. Wärmelieferung, Wasserversorgung, Treppenreinigung etc. (Verweis auf BFH-Urteile vom 9. Dezember 1971, V R 84/71, vom 15. Januar 2009, V R 91/07) – seien insoweit korrekt ermittelt worden: Laut Mietspiegel betrage die durchschnittliche Miete in der Gemeinde C 6,00 EUR bis 7,00 EUR/qm. Zwar habe sich die durchschnittliche Miete der Bewohner auf 28,00 EUR/qm belaufen; dies sei jedoch darauf zurück zu führen, dass mit den Zahlungen auch andere Leistungen (z.B. Reinigungs- und Hausmeisterleistungen, tägliche Wohlbefindlichkeitskontrolle, Notruftelefon) sowie Betreuungsleistungen (z.B. pflegerische Versorgung, Beratung/Organisation von Hilfsmitteln, Kontrolle und Motivation zur Flüssigkeitsaufnahme etc.) abgegolten worden seien. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die zusätzlichen Leistungen nicht unter § 4 Nr. 12a UStG fallen, sei der im Rahmen des Schätzungswegs ermittelte Ansatz des steuerfreien Mietanteils von 15,00 EUR/qm sachgerecht. I.Ü. würde ein höherer Anteil steuerfreier Mieten auch zu einer Verringerung der Vorsteuern führen.

Hinsichtlich der verbliebenen Entgelte komme eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG – auch nicht unter Einbeziehung der Regelungen des § 4 Nr. 16 d und Nr. 16e UStG a.F. für das Jahr 2009 (zur Anwendung der alten Fassung im Jahr 2009 s. BMF-Schreiben vom 20. Juli 2009, BStBl. I 2009, 774, Tz. 49) – nicht in Betracht. Auch könne sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf die Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRL) berufen.

  • Der Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g EStG sei zu Recht verwehrt worden, da der Gewinn für 2011 mit 170.528,21 EUR deutlich über 100.000,- EUR liege, § 7g Abs. 1 Nr. 1c EStG.
  • des Betriebsausgabenabzugs seien die Kostenbelege nicht eingereicht worden.
  • Die AfA für das Inventar sei korrekt berechnet und der Einspruch nicht weiter begründet worden.
  • Die Anzahl der von der Betriebsprüfung zugrunde gelegten Familienheimfahrten sei ebenfalls zutreffend in Ansatz gebracht worden. Der Antragsteller habe die entsprechenden Anfragen des Finanzamts nicht beantwortet, obwohl bereits im BP-Bericht ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Beantwortung und die Vorlage von Belegen hingewiesen worden sei. I.Ü. sei zu berücksichtigen, dass die Wohnung am bisherigen Wohnort den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden müsse; nach Aktenlage sei bereits zweifelhaft, ob sich dieser Mittelpunkt des Antragstellers nicht an den Beschäftigungsort bzw. nach I verlagert habe, zumal die Tochter in I wohne und auch die Lebensgefährtin des Antragstellers dort anzutreffen gewesen sei.
  • Diese Erwägungen würden auch für die Nichtanerkennung der doppelten Haushaltsführung gelten.
  • Die Kinderbetreuungskosten könnten nicht anerkannt werden, da trotz entsprechender Anforderungen durch das Finanzamt weder eine Rechnung noch ein Zahlungseingang auf dem Konto des Leistenden belegt worden sei (Verweis auf § 9c Abs. 3 S. 3 EStG).

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem im Juli 2017 bei Gericht gestellten AdV-Antrag, mit welchem er zugleich eine Fristverlängerung zur Begründung begehrt hat. Nach weiteren Fristverlängerungsanträgen blieb eine weitere Begründung letztlich aus.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2009 – 2011 vom 13. Oktober 2016 sowie der Bescheide für 2009 – 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag und der Bescheide für 2009 – 2011 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 26. September 2013, geändert durch Bescheide vom 13. Oktober 2016, bis einen Monat nach Erlass einer Einspruchsentscheidung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Einspruchsentscheidung und weist darauf hin, dass der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren keine weiteren Begründungen / Unterlagen beigebracht habe.

II.

Der Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (siehe dazu unten, Ziff. 2. b.) (4) und (5) und Ziff. 2. f.)). I.Ü. war der Antrag abzulehnen.

  1. Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides auf Antrag ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 5. März 1979, GrS 5/77, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1979, 570). Da das Aussetzungsverfahren wegen seiner Eilbedürftigkeit und seines vorläufigen Charakters ein summarisches Verfahren ist, beschränkt sich die Überprüfung des Prozessstoffes auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen (insbesondere die Akten der Finanzbehörde) sowie auf die präsenten Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich (BFH-Beschlüsse vom 21. Juli 1994, IX B 78/94, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 1995, 116; vom 2. November 2015, VII B 68/15, BFH/NV 2016, 173). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Richter nicht die volle Überzeugung, sondern nur einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit vermitteln soll. Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch für das Aussetzungsverfahren (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO, 8. Aufl. 2015, § 69 Rz. 196 m.w.N.).

Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (BFH-Beschlüsse vom 7. September 2011, I B 157/10, BStBl. II 2012, 590; vom 12. Februar 2015, V B 160/14, BFH/NV 2015, 861).

Bei der Prüfung hat das Gericht grundsätzlich keine weitergehenden Sachverhaltsermittlungen durchzuführen. Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen des AdV-Verfahrens Feststellungen aus umfangreichen Akten zu treffen; zu berücksichtigen sind in einem solchen Fall vielmehr nur die Tatsachen, die sich aus dem angefochtenen Verwaltungsakt und dem glaubhaft gemachten Vortrag des Antragstellers und Antraggegners ergeben (vgl. m.w.N. Stapperfend, in: Gräber, FGO, § 69 Rn. 195).

  1. Nach diesen Rechtsgrundsätzen war der Antrag teilweise begründet. Dabei kann das Gericht dahinstehen lassen, ob die Nichtdurchführung der Schlussbesprechung auf einem Verschulden der Finanzbehörde oder auf einem konkludenten Verzicht des Antragstellers basierte. Denn jedenfalls hat der Antragsteller im Rahmen des – noch andauernden – Rechtsbehelfsverfahrens die hinreichende Möglichkeit erhalten, sich zu den Punkten zu äußern. Die Gewährung rechtlichen Gehörs im Rahmen dieses Verfahrens heilt insoweit den etwaigen formellen Mangel, welcher nicht zur Rechtswidrigkeit der auf den Feststellungen beruhenden Steuerfestsetzungen führt (vgl. m.w.N. Rüsken, in: Klein, AO, § 201 Rn. 5).
    1. Die auf dem Konto des Antragstellers eingegangenen Pflegegelder (Anlage 2 / Tz. 5 des BP-Berichts) waren – bereinigt um die damit im Zusammenhang stehenden Ausgaben – bei summarischer Prüfung dem steuerlichen Gewinn hinzuzurechnen. Zwar hält es das Gericht für möglich, dass es sich bei Zahlungen von Pflegegeldern jedenfalls teilweise um durchlaufende Posten handeln könnte; die Voraussetzungen hierfür sind indes nach Aktenlage nicht mit der für die Gewährung einer AdV erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit erfüllt. Dabei ist im Ausgangspunkt darauf hinzuweisen, dass bei Geldeingängen auf einem (auch) betrieblich genutzten Konto eine grundsätzliche Vermutung dafür spricht, dass es sich insoweit um Betriebseinnahmen handelt. Ausnahmen hiervon sind vom Steuerpflichtigen grundsätzlich substantiiert darzulegen und zu belegen (vgl. zur verstärkten Mitwirkungspflicht bei ungeklärten Eingängen auf betrieblichen Konten: FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Dezember 2013, 1 K 12147/12 – juris; zur Beweislast des Steuerpflichtigen bei von ihm vorgetragenen aber streitigen durchlaufenden Posten vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2008, 7 K 5384/05 B – juris). Gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG sind bei der Ermittlung des Gewinns die Einnahmen und Ausgaben auszuscheiden, die als durchlaufende Posten im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden. Kennzeichen des durchlaufenden Postens ist mithin einerseits das Handeln im Namen und auf Rechnung eines anderen sowie die Verklammerung der konkreten Einnahme und Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1975 IV R 12/72, II 1976, 370).

Nach Aktenlage handelt es sich bei den streitigen Eingängen um Gelder, die in erheblichem Umfang – in Summe über 62.000 EUR – auf dem Konto des Antragstellers eingingen und von denen lediglich in den Jahren 2009 und 2010 (nicht aber 2011) ein vergleichsweise geringer Anteil – knapp über 10.000 EUR – wieder verausgabt wurde. Der Umstand, dass das Geld auf dem betrieblichen Konto einging und nur geringfügig konkreten Ausgaben zuordenbar war, indiziert, dass es sich um Leistungen an den Antragsteller handelte, welche nicht lediglich zur unmittelbaren Weiterleitung bestimmt waren. Es ist insoweit nicht hinreichend klar erkennbar, dass eine „Verklammerung“ der Einnahmen und Ausgaben zu einem „einheitlichen Vorgang“ vorlag. Hinzu kommt, dass der Antragsteller keine konkreten Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, die belegen, dass er gegenüber den Beteiligten erkennbar im Namen und auf Rechnung der Pflegebedürftigen handelte (das folgt bspw. auch nicht aus dem exemplarischen Vertrag zu App. 2, wonach dem Antragsteller das Geld „zur Verfügung gestellt“ wird und er – der Antragsteller – sich dann um die Pflegeperson kümmere). Zwar erkennt das Gericht, dass das Pflegegeld konzeptionell – und anders als Pflegesachleistungen – für die eigenverantwortliche Hilfebeschaffung durch die pflegebedürftige Person geleistet wird (§ 37 SGB XI). Über die konkreten Abreden / Vertragsgrundlagen und über das Auftreten des Antragstellers gegenüber den Beteiligten sind indes keine hinreichend glaubhaft gemachten Tatsachen dargetan, die die Annahme von durchlaufenden Posten gebieten. Insoweit ist die Behandlung der Eingänge als Betriebseinnahmen – und folgerichtig der Ausgänge als Betriebsausgaben – bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Eine Steuerfreiheit dieser Einnahmen gem. § 3 Nr. 1a EStG oder § 3 Nr. 36 EStG hat das Finanzamt mit zutreffender Begründung (Hinweis auf die Kommentierung von Levedag, in: Schmidt, § 3 EStG Rn. 7 und Rn. 123) abgelehnt; insoweit folgt das Gericht der Einspruchsentscheidung und nimmt auf diese Bezug (§ 105 Abs. 5 FGO).

  1. der umsatzsteuerlichen Behandlung der Umsätze des Antragstellers war eine teilweise Aussetzung zu gewähren:

(1)

Das Gericht teilt bei summarischer Prüfung im Ausgangspunkt die wohl übereinstimmend auch von den Beteiligten vertretene Auffassung, wonach der Antragsteller in umsatzsteuerlicher Hinsicht verschiedene, getrennt zu beurteilende Leistungen erbrachte. Während die Vermietungsleistungen nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei sind, sind die übrigen Leistungen nach Maßgabe des § 4 Nr. 16 UStG bzw. gegebenenfalls nach Maßgabe der in Betracht kommenden Richtlinienbestimmung zu beurteilen.

(2)

Insoweit sind zunächst die aufgrund der Wahlserviceverträge erbrachten Leistungen von den aufgrund der Seniorenmietverträge erbrachten Leistungen zu trennen.

Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Mehrzahl einzelner Leistungsbestandteile aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht als eine Gesamtleistung zu behandeln ist, gelten folgende Grundsätze: Jeder Umsatz ist in der Regel als eine eigene, selbstständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbstständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung und ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Hauptzweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehrere Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen/Dienstleistungen (BFH-Urteile vom 15. Januar 2009, V R 91/07, BFHE 224, 172; vom 17. April 2008, V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712 m. w. N.; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 18. Juli 2017, 4 K 64/16, juris). Bezogen auf Vermietungsleistungen hat der EuGH (Urteil vom 16. April 2015, C-42/14, HFR 2015, 615) – dem das Gericht insoweit folgt – entschieden, dass die Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2009/162 geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass die Vermietung einer Immobilie und die Erbringung weiterer Leistungen, grundsätzlich als mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen anzusehen sind, die unter Mehrwertsteuergesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind, es sei denn, dass gewisse Bestandteile des Umsatzes, einschließlich derer, die die wirtschaftliche Grundlage des Vertragsabschlusses bilden, so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Es obliegt dem nationalen Gericht, die notwendigen Bewertungen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, unter denen die Vermietung und die sie begleitenden Leistungen abgewickelt werden, und insbesondere des eigentlichen Vertragsinhalts vorzunehmen.

Zur Klärung der Frage, ob die erbrachten Leistungen mehrere voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Leistung darstellen, sind die dabei charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln. Um diese charakteristischen Merkmale des betroffenen Umsatzes festzustellen, können die Bestandteile berücksichtigt werden, die die Interessen der Vertragsparteien widerspiegeln, wie z. B. die Preisbildungs- und Rechnungsstellungsmodalitäten. Dabei ist im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Gesamtwürdigung u.a. auch zu berücksichtigen, ob der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden weiteren Leistungen frei auszuwählen, oder ob das zur Miete angebotene Objekt in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit bildet (vgl. dazu ausführlich mit Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH und BFH: Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 17. Mai 2018, 4 K 15/17, EFG 2018, 1221).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen stellen bei summarischer Prüfung die aufgrund der Wahlserviceverträge erbrachten Leistungen eigenständige Dienstleistungen dar, welche von den aufgrund der Seniorenmietverträge erbrachten Leistungen zu trennen sind (vgl. ebenso BFH-Urteil vom 4. Mai 2011, XI R 35/10, BStBl. II 2011, 836; ebenso Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 4. Juli 2017, 11 K 74/17, juris). Denn beide Bereiche sind durch unterschiedliche schuldrechtliche Verträge geregelt und werden separat voneinander abgerechnet. Inhaltlich haben sie dabei jedenfalls überwiegend unterschiedliche Leistungen zum Gegenstand, nämlich auf der einen Seite eine primäre Nutzungsüberlassung (mit inkludierten Zusatzleistungen; dazu unten Ziff. (3)), und auf der anderen Seite frei wählbare Zusatzleistungen. Dabei hatten die Bewohner unmittelbaren Einfluss auf den Umfang und den Erbringer der zusätzlichen Wahlleistungen; es stand ihnen frei, mehr oder weniger umfangreiche Leistungen mit unterschiedlichen Kosten in Anspruch zu nehmen oder die Versorgung mit den angebotenen Dienstleistungen selbst durchzuführen oder von anderen – z.B. von Angehörigen – durchführen zu lassen. Die Entgelte für diesen Bereich waren auf die konkreten Leistungen abgestimmt und standen grds. in keiner Abhängigkeit oder Verbindung zu dem jeweiligen Entgelt des anderen Bereichs. Bei summarischer Würdigung dieser Umstände lagen insoweit zu trennende Leistungen vor.

(3)

Bei summarischer Prüfung und unter Zugrundelegung der oben dargelegten Rechtsgrundsätze teilt der Senat auch die Auffassung des Antragsgegners, wonach die Leistungen, welche auf Basis der Seniorenmietverträge erbracht wurden, ihrerseits zu trennen sind und zwar einerseits in Vermietungsleistungen (Raumüberlassung mit unselbständigen Nebenleistungen wie z.B. Strom, Wasser) und andererseits in davon zu trennende Betreuungsleistungen.

Zwar hat der BFH angenommen, dass die Raumüberlassung bei Altenpflegeheimen hinter die vom Heimbetreiber zu erbringenden Pflege- und Betreuungsleistungen zurücktreten und von nur untergeordneter Bedeutung sein kann. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn die Pflegeleistungen so bestimmend seien, dass sie dem gesamten Vertrag das maßgebliche Gepräge vermittelten. In einem solchen Fall sei die Raumüberlassung lediglich Teil und Voraussetzung der Pflege und von dieser nicht zu trennen; im Ergebnis sei folglich eine einheitliche (Pflege-)Leistung anzunehmen. Auf einen solchen Umstand deute z.B. ein erheblicher Pflegeaufwand und ein damit verbundenes erhebliches Entgelt hin (im Jahre 1984 z.B. bis zu 3.500 DM/Monat) hin (zu den Einzelheiten vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1993, XI R 55/89, BStBl. II 1994, 266).

Der Senat geht angesichts des Umfangs der in den Seniorenmietverträgen angebotenen – nicht umfassenden – Pflegeleistungen sowie unter Berücksichtigung der Preise bei summarischer Prüfung im Streitfall nicht davon aus, dass einheitliche Pflegeleistungen in diesem Sinne vorlagen und die Wohnraumüberlassung daher nicht lediglich untrennbarer Teil und Voraussetzung der Pflege war. Somit sprechen hinreichende Gründe dafür, dass der die Raumüberlassung (einschließlich unselbständiger Nebenleistungen) abgeltende Teil des aufgrund der Seniorenmietverträge gezahlten Entgelts der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 UStG unterfällt, während der andere Teil anhand der Vorschriften des § 4 Nr. 16 UStG bzw. gegebenenfalls der MwStSystRL zu beurteilen ist.

Der Antragsgegner hat insoweit dargelegt, dass die durchschnittlichen Mieten im Prüfungszeitraum bei 28,- EUR/qm lagen; im Schätzungswege hat er davon monatlich 15,-EUR/qm der steuerfreien Raumüberlassung zugewiesen. Das sind rd. 53 % der aufgrund der Seniorenmietverträge eingenommenen Entgelte. Die übrigen 47 % (monatlich rd. 13,-EUR / qm) wurden folglich als steuerpflichtig behandelt.

(4)

Der Senat hält es dagegen bei summarischer Prüfung für sachgerecht, für die Zwecke der AdV auch bzgl. der übrigen rd. 47 % (13,- / qm) der auf die Seniorenmietverträge entfallenen Entgelte von einer Steuerbefreiung auszugehen (zur Beurteilung der aufgrund der Wahlserviceverträge erbrachten Leistungen s. unten, Ziff (6)). Denn insoweit bestehen für die Gewährung einer Aussetzung hinreichende Zweifel in Bezug auf den Inhalt, den Umfang, die Gewichtung und die rechtliche Beurteilung der neben der Raumüberlassung erbrachten Leistungen (im Folgenden zusammenfassend: Zusatzleistungen) und zwar sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht:

Zunächst ist im Hinblick auf die Seniorenmietverträge nicht abschließend ersichtlich, welche genauen Zusatzleistungen jeweils erbracht wurden und auf welcher konkreten Grundlage dies geschah. So wurden teilweise einige dieser Leistungen offenbar mit einem konkreten separaten vertraglichen Entgelt (100,- EUR mtl.) versehen; teilweise wiederum wurde eine Pauschale (100,- EUR) in einem gesonderten Dokument – jedoch mit einem anderen Leistungsumfang – vereinbart. Teilweise wurde ein wiederum anderer Leistungskatalog geregelt, für den jedoch kein gesondertes Entgelt vereinbart wurde, sondern der mit der Miete abgegolten werden sollte. Neben dem genauen Gegenstand und Umfang der Zusatzleistungen sowie der vertraglichen Grundlage ist ferner die Gewichtung dieser Leistungen – und damit der im Schätzungsweg zu ermittelnde Entgeltanteil – nicht zweifelsfrei erkennbar. Zwar sieht der Senat, dass die Vergleichsmiete vor Ort deutlich geringer ist als die vom Antragsteller eingenommenen rd. 28,- EUR/qm. Andererseits ist zu würdigen, dass die – in ihrem Gegenstand/Umfang nicht abschließend geklärten – Leistungen vertraglich z.T. mit nur 100,- EUR/Monat beziffert wurden, und dass das Entgelt bei der Annahme von 13,- EUR/qm erheblich schwanken würde und gerade bei größeren Zimmern nicht unerheblich hoch wäre.

Es bedarf daher einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren, welche konkreten Zusatzleistungen auf welcher vertraglichen Grundlage und in welchem Umfang erbracht wurden. Soweit hier nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Unsicherheiten verbleiben, wird dies im Schätzungswege und unter Berücksichtigung der Darlegungslasten und Mitwirkungspflichten zu würdigen sein. Auf dieser Basis wird sodann zu klären sein, welche der Zusatzleistungen tatsächlich als von der Raumüberlassung zu trennende Leistungen – und nicht als unselbständige Nebenleistungen zur Vermietung – anzusehen sind und wie der darauf entfallene Entgeltanteil zu bemessen ist.

Im Hinblick auf die sodann verbliebenen – nicht der Raumüberlassung (§ 4 Nr. 12 UStG) zuordenbaren und in Bezug auf ihren Entgeltanteil konkret bewerteten – Zusatzleistungen wird sodann die rechtliche Beurteilung abschließend vorzunehmen sein. Dabei bestehen für die Gewährung einer AdV hinreichende Anhaltspunkte für eine mögliche Steuerbefreiung. Denn nach Aktenlage betrifft ein – unter Umständen nicht unerheblicher – Bestandteil der Zusatzleistungen das Tag und Nacht besetzte Notruftelefon. Zu einer solchen Leistung hat der BFH in seiner Entscheidung vom 3. August 2017 (V R 52/16, BFHE 259, 160) ausgeführt, dass eine Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG grds. in Betracht komme. Zwar sei erforderlich, dass der Steuerpflichtige den Nachweis erbringe, dass insoweit eine Kostenerstattung nach Maßgabe dieser Vorschrift erfolgt sei. Dieser Nachweis könne jedoch u.U. als erbracht angesehen werden, wenn – wie bei einem Hausnotrufsystem – aufgrund der sozialrechtlichen Bestimmungen (auch ohne konkreten Zahlungsnachweis) aufgrund des Vorliegens einer Pflegestufe von der Kostentragung ausgegangen werden müsse.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es aufgrund der offenbar zahlreichen Personen mit Zuerkennung einer Pflegestufe jedenfalls hinreichend wahrscheinlich, dass zumindest die Leistung des Hausnotrufsystems als von den Sozialhilfeträgern vergütet i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG angesehen werden kann, auch wenn ein konkreter Zahlungsnachweis bislang nicht erbracht werden konnte. In diesem Zusammenhang wird weiter zu klären sein, ob nach Maßgabe dieser Grundsätze weitere bestimmte Zusatzleistungen unter Berücksichtigung der Pflegestufen der Bewohner als vergütet angesehen werden können. Weiterhin wird zu klären sein, inwieweit die Zusatzleistungen dann insgesamt als einheitliche Leistung anzusehen sind und ob die nach Maßgabe der Rechtsprechung des BFH anzunehmende Kostenübernahme insoweit einen „überwiegenden“ Anteil der Kosten (in mindestens 40 % der Fälle) i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG betrifft.

Aufgrund der verschiedenen Unsicherheiten gewährt der Senat – ohne dass damit das Ergebnis der Hauptsache indiziert wird – eine AdV im Umfang der Differenz zwischen dem vom Finanzamt steuerfrei behandelten Anteil an den Einnahmen aus den Seniorenmietverträgen (15,- EUR / qm; in Summe 2009: 36.216,30 EUR; 2010: 78.582,60; 2011: 96.483,60 EUR) und den auf Grundlage der Angaben des Finanzamt ermittelbaren Gesamteinnahmen aus den Mietverträgen (rd. 28,- EUR / qm). Die Berechnung erfolgt dabei dergestalt, dass die von der Betriebsprüfung ermittelten steuerfreien Beträge durch die dort zugrunde gelegten 15,- EUR/qm dividiert werden und dieser Wert sodann mit den rd. 28,- EUR/qm multipliziert wird.

Dies führt i.E. zu einer vorläufigen Freistellung der Erträge aus den Seniorenmietverträgen, wobei im summarischen Verfahren offen bleiben kann, ob und inwieweit die Steuerfreiheit daraus folgt, dass der Raumüberlassung (§ 4 Nr. 12 UStG) ein u.U. höherer Entgeltanteil der jeweiligen Miete zuzuweisen ist, oder daraus, dass die Zusatzleistungen auf Basis der Rechtsprechung des BFH zum Notruftelefon möglicherweise anteilig oder ganz nach § 4 Nr. 16 UStG zu befreien sind.

(5)

Die Summen der aufgrund der vorstehenden Ausführungen als vorläufig steuerfrei zu behandelnden Beträge belaufen sich auf (steuerfreier Anteil der Mieten laut BP: 15 EUR/qm x durchschnittliche Miete von rd. 28 EUR/qm = steuerfreier Anteil laut AdV-Beschluss):

2009: (36.216 : 15 x 28 =) 67.603 EUR / 2010: (78.582 : 15 x 28 =) 146.686 EUR / 2011 (96.483 : 15 x 28=) 180.101 EUR. Bereinigt um die von der BP bereits als steuerfrei behandelten Beträge ergeben sich danach folgende zusätzliche steuerfreie Beträge:

  • 2009 (67.603 – 36.216=) 31.387 EUR
  • 2010 (146.868 – 78.582=) 68.286 EUR
  • 2011 (180.101 – 96.483=) 83.618 EUR

Die darin enthaltene Mehrwertsteuer (Betrag : 119 x 19) beläuft sich auf rd.

  • 2009: (31.387 : 119 x 19=) 5.011 EUR
  • 2010: (68.286 : 119 x 19=) 10.902 EUR
  • 2011: (83.618 : 119 x 19=) 13.350 EUR.

Aufgrund der für die Zwecke der AdV erhöhten steuerfreien Ausgangsumsätze waren entsprechend die abziehbaren Vorsteuern zu kürzen. Dabei war im summarischen Verfahren insbesondere die Verschiebung des Prozentsatzes der abziehbaren Vorsteuern bzgl. der nicht konkret zuordenbaren Eingangsleistungen zu berücksichtigen. Da auch der übrige Anteil der abziehbaren Vorsteuern (15 %, Anlage 22) geschätzt worden ist und die Zuordnung der einzelnen Ausgaben nicht abschließend geklärt ist, nimmt der Senat für die Zwecke der AdV eine überschlägige Erhöhung der nicht abziehbaren Vorsteuern vor und geht von einer Kürzung der Vorsteuern i.H.v. rd. 1.000,- EUR p.a. aus. Für die Zwecke der AdV sind damit anstelle der bisherigen Steuerfestsetzungen (2009: 3.963,61 EUR / 2010: 23.026,33 EUR / 41.477,86 EUR) folgende Umsatzsteuern zugrunde zu legen:

  • 2009: 0 EUR,
  • 2010: 13.124 EUR
  • 2011: 29.127 EUR.

(6)

Die aufgrund der Wahlserviceverträge erbrachten Leistungen sind dagegen bei summarischer Prüfung nicht als steuerfrei zu beurteilen. Eine Steuerfreiheit ist zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsprechung des BFH zum Notruftelefon (s.o., Ziff. (4)) geboten. Denn die auf Basis der separaten Wahlserviceverträge erbrachten Leistungen – welche nach Aktenlage vor allem die Bereitung von Mahlzeiten und hauswirtschaftliche Dienstleistungen wie Reinigung / Wäschereinigung umfassten – sind insoweit getrennt von den auf Grundlage der Seniorenmietverträge erbrachten Leistungen zu beurteilen (s.o. Ziff. (1)) und teilen damit nicht notwendig deren steuerliches Schicksal. Dieser Ansatz steht im Einklang mit der steuerlichen Behandlung des vom BFH im Urteil vom 3. August 2017 (V R 52/16, BFHE 259, 160) zugrunde gelegten Sachverhaltes, in welchem ebenfalls die gesondert abgerechneten Leistungen wie Speisen und Wäschedienst mit dem Regelsteuersatz und unabhängig von der Gestellung vom Notruftelefon behandelt wurden.

(7)

Hinsichtlich dieser separat zu beurteilenden Leistungen greift die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 d UStG in seiner vor dem Streitzeitraum geltenden Fassung (a.F.) bei summarischer Prüfung nicht ein. Eine grundsätzliche Berufbarkeit auf diese ab 2009 nicht mehr geltende Norm folgt – jedoch begrenzt auf das erste Streitjahr 2009 – aus dem BMF-Schreiben vom 20. Juli 2009 (BStBl. I 2009, 774, Tz. 49), wonach es für bis zum 31. Dezember 2009 ausgeführte Umsätze nicht beanstandet wird, wenn sich der Unternehmer für die Steuerbefreiung seiner Leistungen auf § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung beruft. Die Berufbarkeit auf die Vorschrift beruht damit auf einer Verwaltungsanweisung durch welche sich die Verwaltung vorübergehend an die – von ihr durch Verwaltungsanweisung konkretisierte – Anwendung der maßgeblichen alten Vorschrift gebunden hat.

Von der Steuer befreit sind nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG a.F. verschiedene Umsätze, wenn bei bestimmten Einrichtungen im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 Prozent der Leistungen bestimmten Personengruppen zugutegekommen sind. Die Begünstigung ist dabei nach dem Wortlaut der Norm auf Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime (im Folgenden: Heime) begrenzt. Die Verwaltung beschränkt die von ihr selbst eingeräumte Übergangsregelung insoweit auf Heime i.S.d. Heimgesetzes (HeimG; vgl. dazu die für § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG a.F. geltende Regelung in UStR Abschn. 99 Abs. 1 UStR 2008 wo auf § 1 HeimG sowie die Anzeigepflicht nach § 12 HeimG verwiesen wird; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. April 1993, V B 182/92 – juris, wonach die Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 HeimG in einem BMF-Schreiben zeigt, dass nur genehmigte Heime i.S.d. HeimG unter die Verwaltungsanweisung fallen, vgl. auch Waza, in: Offerhaus/Söhn/Lange [2017] § 4 Nr. 16 Rn. 78; zum Erfordernis des Vorliegens einer nach dem HeimG zugelassenen Einrichtung vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003, V R 24/00, BStBl. II 2004, 89). Nach den insoweit nicht substantiiert angegriffenen Feststellungen der Betriebsprüfung – welche auf den ausdrücklichen Hinweis im eingereichten Seniorenmietvertrag Bezug nimmt – liegt jedoch kein Heim i.S.d. HeimG vor, sodass eine Berufung auf die von der Verwaltung erlassene Übergangsregelung bei summarischer Prüfung nicht in Betracht kommt.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den vom Antragsteller zitierten Urteilen des FG Nürnberg vom 30. März 2010 (2 K 1743/2008, EFG 2011, 391) und vom BFH vom 19. März 2013 (XI R 45/10). Denn im Fall des FG Nürnberg hatte das Gericht – anders als hier – ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei der dortigen Klägerin um eine anerkannte „Einrichtung i.S.d. HeimG“ handelte. Im Fall des BFH hatte dieser zwar im Ergebnis eine Befreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG bejaht; Klägerin in dem dortigen Fall war jedoch ein als gemeinnützige Körperschaft anerkanntes Altenwohnheim. Eine Aussage zur Bedeutung des Begriffs eines Heims, welche der Verwaltungsauffassung widerspräche, hatte der BFH dabei nicht getroffen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Urteil des BFH zu einem Jahr (Streitjahr 2001) erging, in welchem – anders als im vorliegenden Fall – die alte Rechtslage noch unmittelbare Gesetzeskraft entfaltete und das Gericht daher die Vorschrift nach den allgemeinen Auslegungsregeln zu würdigen hatte. Hier indes geht es um die Frage der Reichweite einer Verwaltungsanweisung (Übergangsregelung), namentlich darum, in welchen Fällen die Verwaltung die nicht mehr im Gesetz befindliche Begünstigung zur Anwendung bringen möchte. Dabei ist zu beachten, dass die Verwaltung die Inhalte und Auslegung ihrer Verwaltungsanweisung grundsätzlich selbst bestimmen darf. Maßgeblich ist daher nicht, wie die Verwaltungsanweisung nach allgemeinen Grundsätzen verstanden werden müsste, sondern grundsätzlich allein, wie die Verwaltung die Anweisung konkret verstanden hat und verstanden wissen wollte (vgl. dazu ausführlich und m.w.N. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 17. Mai 2018, 4 K 38/17, juris). Im Streitfall hat die Verwaltung die Übergangsregelung dahingehend gewürdigt, dass die Berufbarkeit auf § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG a.F. im Jahre 2009 in den Fällen ermöglicht werden soll, in denen die Verwaltung auch schon im Jahre 2008 eine Befreiung anerkannte; das impliziert die Notwendigkeit des Vorliegens eines Heims i.S.d. HeimG (vgl. UStAE 2008). Selbst wenn der BFH in späteren Jahren ein anderes Verständnis vom Begriff des Heims geäußert hätte, wäre dies von der Verwaltungsvorschrift – deren Erlass und Auslegung der Verwaltung selbst obliegt – nicht erfasst. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwaltung die von ihr im Jahre 2009 erlassene Übergangsregelung auch auf Fälle angewendet haben wollte, welche nicht von ihrem eigenen Verständnis der Befreiungsnorm gedeckt waren. Der Senat geht daher bei summarischer Prüfung davon aus, dass sich der Antragsgegner bei der Anwendung der Übergangsregelung für das Jahr 2009 zu Recht darauf beruft, dass als Heime i.S.d. § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG a.F. nur solche i.S.d. HeimG anzuerkennen sind. für die danach folgenden Streitjahre 2010 ff. kam eine Berufbarkeit auf § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG a.F. mangels Übergangsregelung per se nicht in Betracht.

(8)

Auch die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 e UStG in seiner vor dem Streitzeitraum geltenden Fassung (a.F.) greift bei summarischer Prüfung nicht ein (zur Berufbarkeit auf die frühere Rechtslage im Streitjahr 2009 s.o.). Nach dieser Norm waren bestimmte Leistungen begünstigt, wenn bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.

Im Streitfall erfolgte die Vermietung der einzelnen Wohneinheiten auf unbestimmte Zeit, sodass keine vorübergehende Aufnahme zur Pflege vorlag. Im Hinblick auf etwaige ambulante Betreuungsleistungen beruft sich der Antragsgegner zu Recht auf Abschn. 99a Abs. 4 UStR 2008, wonach solche Leistungen nur begünstigt sind, wenn sie aufgrund einer – hier fehlenden – Vereinbarung mit den Trägern der Sozialversicherung erbracht werden. Da im Hinblick auf die Reichweite der Verwaltungs(übergangs)vorschrift die maßgeblichen Verwaltungsanweisungen maßgeblich sind (s.o.), ist dieser Einwand bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass es an der für die Begünstigung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. ausdrücklich geforderten Kostentragung in mindestens 40 Prozent der Fälle mangelt (zu diesen Anforderungen s. die Ausführungen zu § 4 Nr. 16 Buchst. der k UStG in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung, unten, Ziff. (14)).

(9)

Eine Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 16 Buchst. a) oder b) UStG kommt nicht in Betracht (Normen ohne gesonderten Hinweis sind solche in der im Streitzeitraum geltenden Fassung; die im Streitzeitraum geltenden drei unterschiedlichen Fassungen des § 4 UStG sind in Bezug auf die hier relevanten Einzelregelungen inhaltsgleich). Es liegt weder eine juristische Person des öffentlichen Rechts noch ein Vertrag i.S.d. § 132 SGB V vor.

(10)

Auch die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. c bzw. Buchst. d UStG sind bei summarischer Prüfung nicht erfüllt. Danach sind Leistungen befreit, die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen sind, und die von Einrichtungen erbracht werden, mit denen ein Vertrag nach § 132a SGB V, § 72 oder § 77 SGB XI besteht, oder die Leistungen zur häuslichen Pflege oder zur Heimpflege erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit § 44 SGB VII bestimmt sind, oder die Leistungen der häuslichen Krankenpflege oder Haushaltshilfe erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 SGB VII i.V.m. §§ 32, 42 SGB VII bestimmt sind. Verträge i.S.d. § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege), § 72 SGB XI (Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag), § 77 SGB XI (Vertrag mit Pflegekasse über häusliche Pflege durch Einzelpersonen) oder eine Bestimmung durch einen Unfallversicherungsträger nach §§ 26 Abs. 5, 32, 42, 44 SGB VII sind jedoch nicht dargetan.

(11)

Das Eingreifen einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e. bzw. Buchst f. UStG ist nicht ersichtlich, da nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller eine Vereinbarung gem. § 111 SGB IX a.F. (nunmehr § 194 SGB IX: Beauftragung von Integrationsfachdiensten durch Integrationsämter oder der Rehabilitationsträger) getroffen hat oder als eine Einrichtung i.S.d. § 142 SGB IX a.F. (nunmehr § 225 SGB IX: Anerkennung von Werkstätten für behinderte Menschen) anerkannt ist.

(12)

Für die Streitjahre kommt auch keine Befreiung gem. § 4 Nr. 16 Buchst. g UStG in Betracht. Nach dieser Regelung sind bestimmte Leistungen von Einrichtungen steuerfrei, soweit sie Leistungen erbringen, die landesrechtlich als Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a SGB XI a.F. anerkannt sind. Die Vorschrift normiert eine partielle Steuerfreiheit, welche sich auf die in § 45b SGB XI a.F. benannten und anerkannten Leistungen (niederschwellige Betreuungsangebote) beschränkt. Zwar erbringt der Antragsteller nach Aktenlage mittlerweile niederschwellige Betreuungsleistungen; die Anerkennung hat er jedoch erst im Jahre 2012 beantragt und mit Bescheid vom Landesamt für soziale Dienste vom 13. Februar 2012 – ersichtlich ohne Rückwirkung – erhalten. In den Streitjahren 2009 – 2011 kann die Befreiungsvorschrift daher nicht – auch nicht partiell – in Anspruch genommen werden.

(13)

Die Befreiungsregelungen gem. § 4 Nr. 16 Buchst. g, Buchst. h, Buchst. i und Buchst. j UStG greifen nicht ein. Der Antragsteller hatte keine Vereinbarung i.S.d. § 75 SGB XII a.F. (Vereinbarung mit den Trägern der Sozialhilfe zur Erfüllung der Aufgaben der Sozialhilfe) getroffen; auch sind keine Verträge/Anerkennungen i.S.d. in § 4 Nr. 16 Buchst. h – j UStG ersichtlich.

(14)

Schließlich kann sich der Antragsteller bei summarischer Prüfung auch nicht auf die Auffangvorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG berufen.

Steuerfrei waren in den Streitjahren nach § 4 Nr. 16 UStG die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen. Nach Buchst. k musste es sich zudem um Einrichtungen handeln, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind. Für die Auslegung des Begriffs der „Fälle“ ist von der Anzahl der hilfsbedürftigen Personen im Laufe eines Kalendermonats auszugehen; eine Vergütung zum „überwiegenden“ Teil in diesem Sinne liegt vor, wenn die Sozialleistungsträger die Kosten des Falls zu mehr als 50% übernehmen (zu den Einzelheiten s. Weber, in: Reiß, Kraeusel, Langer, USt, § 4 Nr. 16 Rn. 60).

Eine solche Vergütung in diesem Umfang ist vom Antragsteller nicht hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht worden. Die vorgelegten, nicht vollständigen, Unterlagen wurden vom Antragsgegner umfangreich ausgewertet, wobei eine Vergütung im vorbenannten Sinne nicht erkannt werden konnte. Ein entsprechender substantiierter und glaubhaft gemachter Vortrag des Antragstellers, welcher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erkennen lässt, dass und welche konkreten Kosten in den einzelnen Zeitabschnitten für bestimmte Personen entstanden sind, und vom welchem Sozialversicherungsträger in welchem Umfang diese Kosten konkret vergütet worden sind, liegt nicht vor. Der Senat folgt daher im summarischen Verfahren der Einschätzung des Finanzamts, wonach die Befreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG nicht zu gewähren ist.

(15)

Der Antragsteller kann sich bei summarischer Prüfung auch nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie -MwStSystRL-; bis zum 31. Dezember 2006: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Richtlinie 77/388/EWG) berufen, wonach die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen befreien, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.

Zwar hat der BFH eine Berufbarkeit auf die Richtlinie in Bezug auf die vor dem Streitjahr 2009 geltende Rechtslage z.T. angenommen (etwa BFH-Urteil vom 7. Dezember 2016, XI R 5/15, BFHE 256, 550). In seiner zu der ab 2009 geltenden Rechtslage ergangenen Entscheidung vom 13. Juni 2018 (XI R 20/16, BFH/NV 2018, 1217) hat er dagegen dargelegt, dass der Gesetzgeber mit § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 auf der Grundlage der ihm in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL eingeräumten Befugnis der Mitgliedstaaten einen ausdrücklich als solchen bezeichneten „Auffangtatbestand“ geschaffen hat, der bei Einrichtungen, die nicht unter § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. a bis j UStG fallen, zur Anwendung komme (vgl. BTDrucks 16/11108, S. 38). Der Gesetzgeber sei dabei grundsätzlich berechtigt gewesen, die Steuerbefreiung nach Maßgabe des für das Streitjahr geltenden § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 im Einklang mit dem Unionsrecht davon abhängig zu machen, ob bei der betreffenden Einrichtung im (vorangegangenen) Kalenderjahr die Betreuungskosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden seien. Der nationale Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung der Anerkennung einer Einrichtung i.S. von § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens zwar insoweit nicht beachtet, als er bezüglich der Einhaltung der Sozialquote in Höhe von 40 % auf das vorangegangene Kalenderjahr abgestellt hat. Der Senat hat daher entsprechende gesetzliche Grenzen in ständiger Rechtsprechung nur insoweit als mit dem Unionsrecht unvereinbar beanstandet, als bei der Prüfung der Grenze auf die Umsätze des Vorjahres zurückgegriffen werde.

Abgesehen davon habe der BFH jedoch die Berufung auf die Richtlinie abgelehnt (BFH-Urteil vom 13. Juni 2018, XI R 20/16, BFH/NV 2018, 1217; für den Streitzeitraum ab 2009 s.a.: BFH-Urteil vom 9. März 2017, V R 39/16, BFHE 247, 456; für das Streitjahr 2011: BFH-Urteil vom 21. Juni 2017, V R 29/16, BFH/NV 1465). Das vom Antragsteller zitierte BFH-Urteil vom 18. August 2015 (V R 13/14, juris) dagegen betrifft die Rechtslage vor 2009; das Urteil vom 18. März 2015 (XI R 38/13, BStBl. II 2016, 793) wiederum betrifft zwar das Jahr 2009 und die ab 2009 unionsrechtswidrige Regelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG); diese Norm – so wie die zugrunde liegende Richtlinienbestimmung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL – bezieht sich jedoch auf die hier nicht in Rede stehenden Krankenhaus- und ärztlichen Behandlungen.

Eine Berufung auf die Richtlinie ist danach bei der ab 2009 geltenden Rechtslage auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Ungleichbehandlung zu Altenheimen i.S.d. HeimG möglich. Denn mit der Novellierung des § 4 Nr. 16 UStG ab dem Jahre 2009 ist die Privilegierung von Altenheimen in diesem Sinne gestrichen worden; Betreuungsleistungen sind seit 2009 nunmehr allein unter den Voraussetzungen des – insoweit unionrechtskonformen – § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG steuerfrei, sodass eine diesbezügliche einheitliche Behandlung gewährleistet ist (ebenso zum Betrieb einer Seniorenwohnanlage: Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 4. Juli 2017, 11 K 74/17, juris; zur Unionsrechtskonformität der Regelung über die Kostentragung vgl. auch BFH-Urteil vom 28. Juni 2017, XI R 23/14, BFHE 258, 517).

Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Rahmen der Umsetzung der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL könnte durch den nationalen Gesetzgeber dadurch verletzt worden sein, weil anerkannte Wohlfahrtsverbände nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfreie Leistungen erbringen können, während gewinnorientierte Unternehmer bei vergleichbaren Leistungen der Steuerpflicht unterliegen. Eine richtlinienwidrige Begünstigung der Wohlfahrtsverbände durch § 4 Nr. 18 UStG vermag allerdings das Tatbestandsmerkmal der staatlichen Anerkennung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nicht zu ersetzen. Eine Steuerbefreiung durch die Möglichkeit einer Berufung direkt auf Art. 132 Abs. 1 Buchst g MwStSystRL ohne Anerkennung wäre selbst richtlinienwidrig (vgl. m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 4. Juli 2017, 11 K 74/17 – juris).

  1. Der Investitionsabzugsbetrag ist vom Finanzamt zu Recht nicht anerkannt worden. Ein solcher ist gem. § 7g Abs. 1 Nr. 1c EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung nur möglich, wenn der Gewinn von 100.000 EUR nicht überschritten wird. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass bei der Ermittlung dieses Gewinns der Abzugsbetrag selbst nicht berücksichtigt werden darf; der Investitionsabzugsbetrag darf also nicht dafür genutzt werden, seine Voraussetzung (Gewinn unter 100.000 EUR) selbst zu schaffen (vgl. auch Kulosa, in: Schmidt, § 7g EStG, Rn 17). Bereits der nach den Feststellungen der BP vom Antragsteller selbst erklärte Gewinn überschreitet diesen Betrag (erklärter Gewinn 65.340,08 EUR + erklärter Abzugsbetrag 35.860 EUR = 101.200,08 EUR). Zuzüglich der – weitgehend nicht zu beanstandenden – Prüfungsfeststellungen wird der Betrag noch weiter überschritten.

  2. Die verschiedenen Betriebsausgaben für die Anschaffung von Schränken sind bei summarischer Prüfung nicht anzuerkennen, da der insoweit feststellungsbelastete Antragsteller (zur Feststellungslast für das Vorliegen betrieblich veranlasster Aufwendungen vgl. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 16. Mai 2017, 4 K 41/16, EFG 2017, 1422) die Aufwendungen und den betrieblichen Zusammenhang der Aufwendungen nicht mit den erforderlichen Mitteln glaubhaft gemacht hat.

  3. Die vom Antragsteller begehrte erhöhte AfA ist bei summarischer Prüfung nicht anzuerkennen. Für die Höhe der AfA – als eine steuermindernde Tatsache – trägt der Steuerpflichtige grundsätzlich die Feststellungslast. Dies gilt auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO, 8. Aufl. 2015, § 69 Rz. 196 m.w.N.), wobei die entscheidungserheblichen Tatsachen entsprechend den o.g. Rechtsgrundsätzen substantiiert vorzutragen und mit den erforderlichen Mitteln glaubhaft zu machen sind. Der Antragsteller hat im Einspruchsverfahren vorgetragen, dass noch weitere Feststellungen erforderlich seien; ein weitergehender substantiierter und glaubhaft gemachter Vortrag, aus dem die gewünschte Höhe der AfA ersichtlich würde, blieb insoweit auch im gerichtlichen Verfahren aus.

  4. der Familienheimfahrten hat das Finanzamt einerseits die vom Antragsteller geltend gemachten Aufwendungen aberkannt; andererseits hat es – da der Antragsteller die entsprechenden Anfragen nicht beantwortet hat – unterstellt, dass die Familienheimfahrten mit dem betrieblichen PKW erfolgten. Dies hat zu einer weiteren Hinzurechnung geführt, da die Kosten für den betrieblichen Wagen bereits in die Gewinn- und Verlustrechnung eingingen und diese Kosten bei der Durchführung von Familienheimfahrten gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG einer teilweisen Abzugsbeschränkung unterliegen. Dies führte jährlich zu einer weiteren Hinzurechnung von 3.296,16 EUR.

Der Antragsteller ist dem mit dem Einwand entgegen getreten, dass die Anzahl der Heimfahrten unrichtig sei. Dieser Einwand greift bereits deshalb nicht durch, weil nach den – nicht substantiiert angegriffenen – Annahmen der BP letztlich jede Heimfahrt zu einer weiteren Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs führt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20. August 2015, III B 108/14, BFH/NV 2015, 1575); ein zusätzlicher Betriebsausgabenabzug würde sich nur dann ergeben, wenn die Fahrten mit einem privaten Fahrzeug durchgeführt worden wären; denn dann käme die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG in Form einer weiteren Gewinnzurechnung nicht zum Tragen, sondern es wäre ein (nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG begrenzter) Abzug möglich. Hierzu hat der Antragsteller indes nicht hinreichend vorgetragen.

Dennoch hält das Gericht eine Aussetzung in Bezug auf die Hinzurechnungsbeträge (Betriebsausgabenkürzungen i.H.v. 3.296,16 EUR pro Jahr) zugunsten des Antragstellers für sachgerecht. Dies folgt daraus, dass es das Gericht für möglich hält, dass der Antragsteller (bzw. im Einspruchsverfahren dessen Vertreter) die Relevanz der Annahme der BP (Nutzung des betrieblichen Kfz und damit verbunden die Gewinnerhöhung durch Familienheimfahrten) nicht hinreichend erkannt und daher zur Nutzung des konkreten PKW nicht hinreichend vorgetragen hat. Dem in diesem Verfahren nicht anwaltlich vertretenen Antragsteller soll Gelegenheit gegeben werden, hierzu weiter vorzutragen, wobei zugleich darauf hingewiesen wird, dass der Antragsteller zur Mitwirkung verpflichtet ist und eine etwaige Nichtaufklärung bzgl. der genauen Umstände der Fahrten im weiteren Verfahren zu seinen Lasten gehen kann.

  1. Die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung hat der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt und mit den dafür erforderlichen Mitteln glaubhaft gemacht. Die Kosten sind daher im summarischen Verfahren nicht anzuerkennen; insoweit folgt das Gericht den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
  2. Die Kinderbetreuungskosten konnten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ebenfalls nicht anerkannt werden. Für diese steuermindernden Tatsachen trägt der Steuerpflichtige grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast. Hinzu kommt, dass § 9c Abs. 3 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung den Beleg einer Rechnung und eines Zahlungseingangs auf dem Konto des Erbringers der Kinderbetreuungsleistungen erfordert. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert vorgetragen und mit den erforderlichen Mitteln glaubhaft gemacht.
  3. Eine über den in den Ziff. 2. b.) und Ziff. 2. f.) dargelegten Umfang hinausgehende Aussetzung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte geboten. Der Antragsteller hat keine Tatsachen vorgetragen und mit den geeigneten Mitteln glaubhaft gemacht, welche die Annahme einer unbilligen Härte erlauben.
  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO, wobei das Gericht berücksichtigt, dass der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten war (zur Kostenaufhebung bei nicht vertretenen Steuerpflichtigen s. Ratschow, in: Gräber, FGO, § 136 Rn. 3). Gründe, die Beschwerde zuzulassen (§ 128 Abs. 4, 115 Abs. 2 FGO), sind nicht ersichtlich. Die Übertragung der Berechnung des auszusetzenden Betrags beruht auf §§ 69 Abs. 3, 100 Abs. 2 S. 2 FGO.

Normen:

UStG:4/16

 

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