Wirtschaftsstrafrecht

Verschleifungsverbot bei der Untreue nach § 266 StGB

Auch ein Beitrag zum Fall Nonnenmacher und HSH Nordbank

 

Das Bundesverfassungsgericht forderte in seinen Entscheidungen wegen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 Abs. 2 GG die Straftatbestände derart auszulegen, dass jedem Tatbestandsmerkmal eine eigenständige Bedeutung zukommt, BVerfGE 126, 170 Tz. 149. Vielfach bereitet dabei das gewissenhafte Charakterisieren zwischen Tathandlung und Taterfolg Schwierigkeiten. So werden Rückschlüsse von der Pflichtwidrigkeit auf den Nachteil gezogen; es findet ein Verschleifen zwischen den Tatbestandsmerkmalen statt. Insbesondere dann, wenn die Vermögensnachteile schwer zu quantifizieren sind – wie dies bei den sog. schadensgleichen Vermögensgefährdungen häufig der Fall ist – wird von der Pflichtwidrigkeit auf den Nachteil geschlossen, Matt Saliger. Ebenso werden aber auch Rückschlüsse vom Taterfolg auf die Pflichtwidrigkeit gezogen. Das sog. Verschleifungsverbot gebietet dagegen, dass weder aus dem Eintritt eines Nachteils die Pflichtwidrigkeit, noch dass wegen einer vorgenommenen pflichtwidrigen Handlung auf den Nachteil geschlossen werden kann, Bittmann.

Gerade diese in der Vergangenheit vorgenommene Verschleifung stellt aber schon „auf der Ebene des einfachen Rechts einen methodischen Fehler dar“, Bittmann. Denn Voraussetzung für den objektiven Tatbestand der Untreue ist nicht lediglich eine pflichtwidrige Tathandlung, die entweder der Missbrauch von Befugnissen oder der Treuebruch, also die Missachtung eines normativen Gebots sein kann. Vielmehr bedarf es eines (wirtschaftlichen) Nachteils, also einer tatsächlichen Minderung des Vermögens. Dabei dürfen die einzelnen Tatbestandsmerkmale nicht derart weit ausgelegt werden, dass sie in anderen Merkmalen aufgehen, BVerfGE 126, 170.

 

Die Rechtsprechung kann beispielgebend nicht von der „bloßen“ pflichtwidrigen Kreditvergabe auf einen Nachteil schließen, der in der Gefahr eines Ausfalls liegen könnte. Vielmehr ist der Nachteil gesondert festzustellen – als zu konkretisieren – und darüber hinaus zu quantifizieren. Denn nicht jede pflichtwidrige Vergabe bedingt zugleich einen Nachteil – oder wie dies gern postuliert wird: einen Schaden bzw. Gefährdungsschaden. Prüft der Bankverantwortliche etwa pflichtwidrig nicht, wie es um die Bonität des Kreditnehmers bestellt ist, kann hieraus nicht schon der Schluss gezogen werden, dass er sich der Untreue schuldig machte. Denn es wäre denkbar, dass die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers einwandfrei ist oder das Darlehen im ausreichenden Maße besichert ist. Ein Nachteil wäre dem entsprechenden Kreditinstitut hieraus nicht erwachsen; nicht einmal die Gefahr eines solchen „Schadens“ ließe sich hiermit begründen.

 

Aber auch dann, wenn dem Kreditinstitut ein Nachteil entstanden sein sollte, kann und darf daraus nicht auf die Pflichtwidrigkeit geschlossen werden. Denn gerade bei der Vergabe eines sog. Sanierungskredites ist die Gefahr eines Ausfalls mit höchster Wahrscheinlichkeit gegeben. Dass die Vergabe dabei zugleich pflichtwidrig ist, darf bezweifelt werden. Vielmehr könnte man u.U. die Nichtvergabe eines solchen Kredites als pflichtwidrige Handlung qualifizieren.

 

Wenngleich normative Gesichtspunkte nicht notwendigerweise außer Betracht bleiben, darf dabei die Beurteilung, ob ein wirtschaftlicher Vermögensnachteil vorliegt, nicht durch rein „normative Erwägungen“ verdrängt werden. Richtigerweise muss zwar zwischen der Tathandlung und dem Taterfolg ein derartiger Zusammenhang bestehen, dass die Wertminderung bzw. der Nachteil gerade durch die Pflichtverletzung eingetreten ist, Bittmann. Dennoch ist der eigenständige Charakter des Merkmals „Nachteil“ zu wahren; Pflichtverletzung und Nachteil sind gerade als eigenständige Merkmale nebeneinander zu statuieren. Eine pflichtwidrige Verwendung des anvertrauten Vermögens darf nicht ohne Feststellung eines bezifferbaren, also quantifizierbaren, Nachteils als nachteilsbegründend angesehen werden, sondern es bleibt zu überprüfen, ob das pflichtwidrige Handeln für den Vermögensinhaber zur ökonomischen Nachteiligkeit geführt hat. Dies bereits aus einem leicht erkennbaren weiteren Grund: die Schadenshöhe ist „ein bestimmender Strafzumessungsgrund i.S.d. § 267 Abs. 3 S. 1 StPO und § 46 Abs. 2 StGB gebietet, die verschuldeten Auswirkungen der Tat zu berücksichtigen“, Bittmann.

 

Bei den sog. „Gefährdungsschäden“ kann und darf nichts anderes gelten. Auch hier sind die Quantifizierung und Benennung des Nachteils entscheidend, um nicht ein Verschleifen der Tatbestandsmerkmale zu riskieren. Denn die pflichtwidrige Handlung allein trifft keine Aussage darüber, ob ein Vermögensnachteil eingetreten ist, wenngleich das eine ohne das andere nicht zur Strafbarkeit führen kann. Nicht nur unter Beachtung des Art. 103 Abs. 2 GG hat eine konkrete Ermittlung des Nachteils zu erfolgen, selbst wenn dies mit Lästigkeiten verbunden ist, so auch das BVerfGE 126, 170. Wegen Untreue i.S.d. § 266 StGB oder auch wegen Betruges i.S.d. § 263 StGB darf jedenfalls nur verurteilt werden, wenn die Höhe des Nachteils bzw. Schadens quantifiziert worden ist.

 

Für Nonnenmacher und Co. kann also die Feststellung des Gerichts, Nonnenmacher habe pflichtwidrig gehandelt, nicht zur Verurteilung gereichen. Vielmehr ist darüber hinaus der Nachteil zu quantifizieren; und zwar auf den Zeitpunkt der Tat. Hier verbirgt sich die Krux. Zum Verständnis und beispielhaft vereinfachend: Soll tatsächlich derjenige wegen „fahrlässiger Tötung“ verurteilt werde, der ohne Beachtung der Vorfahrtsregeln (also pflichtwidrig) mit dem Fahrzeug die Kreuzung überquert, obwohl niemand zu Schaden kam?

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