Entschädigungszahlung wegen überlanger Gerichtsverfahrensdauer ist kein Einkommen im Sinne des SGB II
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 11. November 2021 entschieden, dass eine Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens aufgrund überlangen Gerichtsverfahrens – anders als vom beklagten Jobcenter und dem Landessozialgericht angenommen – nicht als Einkommen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zu berücksichtigen ist (Az. B 14 AS 15/20 R).
Die Entschädigung wegen eines infolge der unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens erlittenen immateriellen Nachteils nach § 198 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz ist nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II von der Einkommensberücksichtigung bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II ausgenommen. Die Zahlung dient einem § 198 Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich zu entnehmenden Zweck – der Wiedergutmachung der Folgen eines überlangen Verfahrens. Auch ist keine Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II gegeben. Das SGB II sieht für immaterielle Schäden keine Leistungen vor.
Hinweise zur Rechtslage
§ 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II
Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.
§ 198 Abs. 2 GVG
1 Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat.
2 Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist.
3 Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung.
4 Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
Bundessozialgericht, B-14-AS-15/20-R, B-14-AS-15/20
Pressemitteilung vom 11.11.2021