Kapitalwert lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen
Leitsatz:
- NV: Ist der Tod des Berechtigten oder Verpflichteten außerhalb des Berichtigungszeitraums des § 14 Abs. 2 Satz 1 BewG eingetreten, ist der Kapitalwert einer lebenslänglichen Last vorbehaltlich § 14 Abs. 4 Satz 1 BewG ausschließlich nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BewG zu berechnen.
- NV: Die durch das Bundesministerium der Finanzen nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG veröffentlichten Vervielfältiger sind einer Korrektur mit Rücksicht auf etwaige Ungenauigkeiten bei der Ermittlung der statistischen Lebenserwartung nicht zugänglich.
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 18.08.2022 – 7 K 3179/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe:
I.
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Durch notariell beurkundeten Vertrag vom xx.09.2016 übertrug die am xx.11.1924 geborene S dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Wege der Schenkung ein Grundstück unter Nießbrauchvorbehalt. Die für den grundbuchlichen Vollzug notwendigen Erklärungen wurden abgegeben. S übernahm die Schenkungsteuer. Das Lagefinanzamt stellte den Wert des Grundstücks gesondert fest. Der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt -FA-) setzte Schenkungsteuer gegenüber S fest und berücksichtigte im Einspruchsverfahren den Wert der Nießbrauchlast nach § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf Grundlage eines Jahreswerts von 9.286 € und eines Vervielfältigers von 3,512. S erhob Klage. Sie verstarb am xx.07.2019 und wurde durch den Kläger allein beerbt, der das Verfahren als Rechtsnachfolger fortführte. Das Finanzgericht (FG) änderte den Jahreswert auf 11.077 €, lehnte aber die beantragte Erhöhung des Vervielfältigers auf 4,078 ab, da § 14 Abs. 1 BewG dies nicht erlaube.
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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie das Erfordernis einer Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO mit folgender Rechtsfrage geltend: „Sind bei der Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Lasten nach § 14 BewG in Fällen, in denen § 14 Abs. 2 BewG eine Korrektur bei frühzeitigem Versterben vorsieht, die nach § 14 Abs. 1 BewG sich ergebenden Tabellenwerte dergestalt zu korrigieren, dass eine doppelte Erfassung von Sterbefällen ausgeschlossen wird?“
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Die Tabelle der Vervielfältiger zu § 14 BewG enthalte einen mathematisch-logischen Bruch. § 14 Abs. 2 BewG führe bei Tod innerhalb des Korrekturzeitraums zu einer Bewertung nach der tatsächlichen Dauer. Die Tabelle des § 14 Abs. 1 BewG berücksichtige aber die potentiellen Sterbefälle ebenfalls innerhalb des Korrekturzeitraums. Um diesen Doppelansatz zu vermeiden, dürften nach § 14 Abs. 1 BewG nur Sterbefälle nach dem Ablauf des Korrekturzeitraums in die Berechnung des Werts eingehen. Dafür sei die Tabelle zu § 14 Abs. 1 BewG dahin zu korrigieren, dass die nach Ablauf des Korrekturzeitraums verbleibende statistische Lebenserwartung zum Korrekturzeitraum addiert und hieraus formelmäßig der korrekte Vervielfältiger errechnet werde. Im Streitfall führe das zu einer rechnerischen Lebenserwartung von 4,60 Jahren (3,60 Jahre lt. Tabelle zuzüglich 1 Jahr Korrekturzeitraum) und dem entsprechend zu einem Vervielfältiger von 4,078. Anders als das FG meine, sei eine solche Korrektur auch auf einfachgesetzlicher Ebene ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes möglich. § 14 Abs. 4 Satz 2 BewG stehe nicht entgegen, die entsprechende Fortentwicklung der Tabellen sei ohne großen Aufwand durchführbar, und dies widerspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Öffnungsklausel in § 14 Abs. 4 Satz 1 BewG gerade in Rechnung gestellt habe, dass besondere Umstände zu abweichenden Werten führen könnten.
II.
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 25.08.2020 – VI B 1/20, BFH/NV 2021, 13, Rz 4; vom 17.05.2021 – VIII B 88/20, BFH/NV 2021, 1353, Rz 10, und vom 17.01.2022 – II B 49/21, BFH/NV 2022, 420, Rz 6).
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Dieselben Grundsätze gelten für die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung (BFH-Beschluss vom 30.06.2020 – II B 90/19, BFH/NV 2020, 1279, Rz 4).
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2. Die Bewertung des schenkungsteuerrechtlichen Erwerbs richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) grundsätzlich nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG (Allgemeine Bewertungsvorschriften). Das sind die §§ 1 bis 16 BewG.
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a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 anzusetzen. Danach ist ausgehend von der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG) der Kapitalwert auf Grundlage eines Zinssatzes von 5,5 % zu berechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 BewG). Die sich daraus ergebenden Vervielfältiger für das jeweilige Lebensalter und Geschlecht der Berechtigten veröffentlicht das Bundesministerium der Finanzen in einer Tabelle (§ 14 Abs. 1 Satz 4 BewG). Auf welchen Zeitpunkt der Wert zu berechnen ist, regelt § 14 BewG -isoliert betrachtet- nicht. Für die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist nach § 11 ErbStG für die Wertermittlung grundsätzlich der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend. Das ist bei Schenkungen unter Lebenden gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Die Wertermittlung nach § 14 Abs. 1 BewG stellt eine Typisierung dar. Sie knüpft nicht an die tatsächliche Laufzeit der Nutzungen oder Leistungen, sondern an eine auf den Stichtag prognostizierte Laufzeit an. Diese baut insoweit auf den tatsächlichen Verhältnissen auf, als sie auf einem statistischen Mittel beruht. Sie ist aber im Einzelfall regelmäßig nicht identisch mit der tatsächlich verwirklichten Laufzeit.
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b) § 14 Abs. 2 BewG sieht eine Berichtigung der nicht laufend veranlagten Steuern nach der wirklichen Dauer der Nutzung oder Leistung vor, wenn die nach § 14 Abs. 1 BewG bewertete Nutzung oder Leistung nicht mehr als einen bestimmten Zeitraum bestanden hat und durch Tod des Berechtigten oder Verpflichteten weggefallen ist. Dieser Zeitraum ist nach dem ursprünglich maßgebenden Alter gestaffelt und beträgt bei einem Alter von mehr als 90 Jahren noch 1 Jahr. Die Berichtigung einer Last ist nach § 14 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht antragsabhängig.
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c) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BewG ist der nachgewiesene gemeine Wert zugrunde zu legen, wenn der gemeine Wert der gesamten Nutzungen oder Leistungen nachweislich geringer oder höher ist als der Wert, der sich nach § 14 Abs. 1 BewG ergibt. Nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BewG kann der Ansatz eines geringeren oder höheren Werts jedoch nicht darauf gestützt werden, dass mit einer kürzeren oder längeren Lebensdauer, mit einem anderen Zinssatz als 5,5 % oder mit einer anderen als mittelschüssigen Zahlungsweise zu rechnen ist.
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3. Danach kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert sie eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts. Die durch den Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist so zu beantworten, wie es das FG getan hat. Die Vorentscheidung entspricht eindeutig den gesetzlichen Maßstäben. Das FA und das FG haben unstreitig den für den Wertermittlungsstichtag, den xx.09.2016 (Datum des Schenkungsvertrags einschließlich der für den Vollzug erforderlichen Erklärungen) zutreffenden Vervielfältiger nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BewG verwendet. Es kann dahinstehen, ob die Methode des Klägers zur Berechnung des Vervielfältigers, die die Berichtigungszeiträume des § 14 Abs. 2 BewG einbezieht, den Kapitalwert einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung besser dem gemeinen Wert nach § 9 Abs. 1 BewG annähern könnte. Das Rechenmodell des Klägers ist in mehrfacher Hinsicht nicht mit den gesetzlichen Vorschriften vereinbar.
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a) § 14 Abs. 1 BewG enthält eine detaillierte und unmissverständliche Regelung für die Berechnung des Kapitalwerts von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen. Ihr entscheidender Ausgangspunkt ist die lediglich nach Männern und Frauen differenzierte statistische Lebenserwartung auf den jeweiligen Stichtag, von der der Vervielfältiger mathematisch abgeleitet ist. Die tatsächliche Lebensdauer wird nach Maßgabe von § 14 Abs. 2 BewG berücksichtigt, was umgekehrt bedeutet, dass sie jenseits der Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 BewG nicht berücksichtigt wird. Der Kläger möchte diese gesetzliche Typisierung durch eine andere Typisierung auf abweichenden Berechnungsgrundlagen ersetzen. Das ist unzulässig.
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Er knüpft methodisch nicht mehr an die statistische Lebenserwartung zum Wertermittlungsstichtag an. Vielmehr liegt seinem Vervielfältiger eine Verbindung aus tatsächlich zurückgelegter Lebenszeit (dem durch § 14 Abs. 2 BewG vorgegebenen Berichtigungszeitraum) und einer statistischen Lebenserwartung zu einem späteren Zeitpunkt (dem Ende des Berichtigungszeitraums) zugrunde. Damit ersetzt er das gesetzgeberische Modell durch ein eigenes mit grundlegend abweichenden Parametern, was keine Stütze in § 14 Abs. 4 Satz 1 BewG findet. Die Vorschrift ermöglicht lediglich den Ansatz eines „nachweislich“ abweichenden Werts, was gleichzeitig bedeutet, dass es sich um einen tatsächlichen Wert handeln muss.
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b) Selbst wenn § 14 Abs. 4 Satz 1 BewG es erlaubte, zur zuverlässigeren Abbildung des gemeinen Werts nach § 9 Abs. 1 BewG neue Typisierungsregeln zu schaffen, die stärker an die tatsächlichen Verhältnisse anknüpfen, wäre das Modell des Klägers jedenfalls mit § 14 Abs. 4 Satz 2 BewG nicht vereinbar. Es geht auf den maßgebenden Stichtag, nämlich den Vollzug der Schenkung, systematisch von einer längeren Lebenserwartung aus, als sie den Vervielfältigern nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BewG zugrunde liegt. Zwar ist die statistische Lebenserwartung zum Ende des Berichtigungszeitraums fast immer kürzer (anders erst nach Vollendung des hundertsten Lebensjahrs) als zum Stichtag. Da aber ausweislich der Sterbetafeln die statistische Lebenserwartung mit jedem vollendeten Lebensjahr mit wenigen Ausnahmen nicht um ein Jahr, sondern um etwas weniger als ein Jahr sinkt, führt die Addition des Berichtigungszeitraums mit der auf den späteren Zeitpunkt bestehenden Lebenserwartung stets zu einer rechnerisch längeren Lebenserwartung. Aus ihr resultiert der höhere Vervielfältiger, den der Kläger errechnet.
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c) Sterbefälle werden durch das gesetzliche Modell zudem nicht doppelt erfasst. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die durch den Kläger angeregte Korrekturmethode, die die rechnerische Lebenserwartung auf den Stichtag aus tatsächlich zurückgelegter Lebenszeit und der Lebenserwartung zu einem späteren Zeitpunkt zusammensetzt, mathematisch und logisch zutreffend ist. Richtig ist zwar, dass in die statistische Lebenserwartung, die der Berechnung in § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BewG zugrunde liegt, auch diejenigen potentiellen Sterbefälle eingehen dürften, die innerhalb des Berichtigungszeitraums eintreten können. Tritt aber der Sterbefall innerhalb des jeweiligen Berichtigungszeitraums des § 14 Abs. 2 Satz 1 BewG ein, kann der Kapitalwert einer Last endgültig nie nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BewG berechnet werden, weil dann nach § 14 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BewG ohne Antrag die Bewertung der Last nach der tatsächlichen Dauer zu erfolgen hat. Das bedeutet, dass in den Fällen, in denen es endgültig bei der Bewertung nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BewG bleibt, tatsächlich niemals ein Sterbefall innerhalb des Berichtigungszeitraums eingetreten ist und die statistische Lebenserwartung wegen der gleichwohl erfolgten Einbeziehung dieser Sterbefälle systemisch zu niedrig angesetzt sein dürfte. Die Berücksichtigung bestimmter Sterbefälle in beiden Rechenmodellen bewirkt aber keine Doppelerfassung, weil die Modelle nicht gleichzeitig angewendet werden können.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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5. Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.