Wirtschaftsstrafrecht

Ehemalige HSH-Nordbank Manager erneut vor Gericht

Fast schon vergessen die Bankenkrise, die in Deutschland einen Milliardenschaden verursachten. Vornehmlich die Bankmanager – die vermeintlichen Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise – gelangten wegen pflichtwidriger Kreditvergaben vermehrt ins Fadenkreuz der Öffentlichkeit und Justiz. Die Vorwürfe der Öffentlichkeit gegen die „Casino-Mentalität“ der Bänker waren dabei oft rein moralischer Natur unter Außerachtlassen dessen, dass Gesetze dies teilweise erst ermöglichten.  Dass die Bankmanager moralisch in der Verantwortung stehen, drängt sich zweifelsfrei auf. Ein Belangen und verurteilen mit Hilfe der Strafgesetze erweist sich indes als schwerfällig. Zwar wird mitunter das Recht von der Moral beeinflusst. Rein moralische Wertungen können in einem Rechtsstaat gleichwohl nicht zu einer Verurteilung wegen Untreue oder Betruges führen.

Eine Inventur:

Der erste Prozess gegen die sechs früheren Vorstände um ihren Chef Dr. Dirk Jens Nonnenmacher – oder wie er wohl gern genannt worden ist: „Dr. No“ – hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Das Landgericht Hamburg unter Vorsitz von Dr. Marc Tully hatte den Vorstand der HSH Nordbank im Juli 2014 von den Vorwürfen der schweren Untreue und Bilanzfälschung freigesprochen (Urt. v. 09.07.2014, Az. 608 KLs 12/11 bzw. 5550 Js 4/09). Begründet wurde das u.a. damit, dass die Pflichtverletzungen nicht gravierend bzw. evident gewesen seien. Eine Verurteilung wegen Untreue im Sinne des § 266 StGB sei nicht gerechtfertigt. Die Staatsanwaltschaft legte Revision beim BGH ein. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig hob das Urteil des LG Hamburg im Oktober 2016 auf (Urt. v. 12.10.2016, Az. 5 StR 134/15). Der BGH begründete damit, dass das LG zwar eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) bejahte, diese aber als nicht gravierend eingestuft hat, sei bereits hinsichtlich des Vorliegens der Pflichtverletzung rechtsfehlerhaft. Auch hatte der BGH als aufklärungsbedürftig betont, dass das Geschäft zwar tatsächlich sein Ziel einer Entlastung des Eigenkapitals nicht erreichen konnte, aber möglicherweise dennoch nicht gänzlich wertlos gewesen sein könnte. Als denkbarer Gegenwert des eingetretenen Vermögensverlustes müsse demnach der „Kapitalmarkterfolg“ des Geschäfts geprüft werden. Es müsse also jener Vorteil quantifiziert werden, der wirtschaftlich darin gelegen haben könnte, die Transaktion gegenüber der Kapitalmarktöffentlichkeit als Maßnahme zur Entlastung des Eigenkapitals abzubilden.

Nun darf das Landgericht Hamburg erneut in Sachen Untreue und Dr. Nonnenmacher entscheiden. Das Verfahren wird voraussichtlich August 2019 stattfinden.  

Ein anspruchsvolles und morastiges Verfahren, das keinen Neid bei Juristen auslöst. Will die Öffentlichkeit einen „Schuldigen hängen“ sehen, muss wegen der Rechtsstaatlichkeit juristisch präzise gearbeitet werden.

Probleme ergeben sich bei der Ermittlung und Feststellung eines konkreten Vermögensnachteils wie er von § 266 StGB gefordert wird. Das Tatbestandsmerkmal „Nachteil“ darf mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal auch nicht „verschliffen“ werden, so das Bundesverfassungsgericht BVerfGE 126, 170, Tz. 73, 107 f., 147, 150, anderenfalls drohe ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG.  Auch ergeben sich entscheidende Probleme bei der anerkannten dogmatischen Rechtsfigur des Gefährdungsschadens. Bedeutsam wird dies insbesondere dann, wenn man sich vor Augen führt, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Untreue von größerer Bedeutung sind, als für den Tatbestand des Betruges, da die Untreue das einzige Vermögensdelikt ohne normierter Versuchsstrafbarkeit darstellt. Hier besteht die Gefahr einer Überdehnung des Tatbestandes, sodass die Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Versuchsstrafbarkeit erheblich unterlaufen wird. Das Bundesverfassungsgericht forderte dementsprechend von den Gerichten schon wegen des Bezifferungsgebotes den sog. Gefährdungsschaden in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise festzustellen, was der BGH schließlich mit seinem Urteil umsetzte. Will man dessen ungeachtet in jeder täuschungsbedingten Vermögensverfügung einer Bank einen bereits eingetretenen Schaden sehen, ohne dessen Umfang nachvollziehbar zu quantifizieren, hätte sich der Gesetzgeber den Tatbestand des Kreditbetruges i.S.d. § 265b StGB ersparen können, weil doch aus der Vermögensverfügung nach einer Täuschung mit Vermögensrelevanz immer eine schadensgleiche Gefahr resultiert. Bei der Untreue i.S.d. § 266 StGB kann auf die Quantifizierung eines Nachteils gleichfalls nicht verzichtet werden. Anderenfalls läge ein eklatanter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vor. Auch enthält das Strafgesetzbuch für die „ungetreuen“ Handlungen gerade keinen Auffangtatbestand wie denjenigen des Kreditbetruges i.S.d. § 265b StGB. Will man also wegen Untreue verurteilen, muss die Größenordnung der Vermögensminderung festgestellt werden.

Das Ergebnis wird gleichwohl nicht überraschen. Es muss ein Schaden – oder genauer ein Nachteil – festgestellt werden. Auf die Evidenz der Pflichtverletzung wird man das Urteil nicht stützen können, denn wann eine Pflichtverletzung erheblich ist und wann Handlungen eines Geschäftsmannes wie Dr. Nonnenmacher vom üblichen und normierten Risiko abweichen, ist nicht „berechenbar“. Was ist erheblich und was ist weniger erheblich und was liegt im Rahmen einer üblichen Risikobereitschaft?

Der Schaden muss zudem – um nicht in die Versuchsstrafbarkeit zu gelangen, die gerade bei der Untreue nicht normiert ist – auf den Zeitpunkt der Tat, dementsprechend den Tag der Unterschrift oder Entscheidung zum Geschäft festgestellt werden. Kompensiert wird das Ganze mit Gegenwerten, die es zu errechnen gilt. Um etwas Melodie in die Berechnungen zu bringen, wird noch abgezinst auf den Tag der Tat.

Das Resultat ist für Wirtschafts-Juristen eine Symphonie und für den vermeintlichen Täter Dr. Nonnenmacher ein erträgliches Leid. Kleiner Schaden – nein sehr kleiner Schaden bzw. Nachteil, aber ein Schuldspruch, der dem marginalen Nachteil entspricht. Damit wird auch der Öffentlichkeit genüge getan. „Hängen“ wird niemand.

 

Warum das so ist: Die Konkretisierung und Quantifizierung des Vermögensnachteils bei ungetreuen Kreditgeschäften ISBN ISBN 978-3-8305-3459-4

 

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