Rückstellung für Mitarbeiterboni
Orientierungssatz:
- Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten kann gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. HGB nicht nur dann gebildet werden, wenn eine Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit Sicherheit besteht und nur ihre Höhe ungewiss ist, sondern auch dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verbindlichkeit dem Grunde nach künftig entsteht, wobei zudem deren Höhe ungewiss sein kann. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Verbindlichkeit kann sich aus der seit Jahren bestehenden ständigen Übung, Mitarbeiterboni ohne rechtliche Verpflichtung an die Mitarbeiter auszuzahlen, ergeben.
- Eine künftig entstehende Verbindlichkeit hatte ihre wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit, wenn die Mitarbeiterboni in der Hauptsache die Leistungen der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr abgelten sollten (hier: Boni als zusätzliches Vergütungsinstrument neben dem Festgehalt oder anderen Gehaltsbestandteilen). Daraus folgt ein Veranlassungszusammenhang mit der Arbeitsleistung der Mitarbeiter für das abgelaufene Geschäftsjahr. Dem steht nicht entgegen, dass Mitarbeiterboni zudem dem Zweck dienen, die Mitarbeiter auch für die Zukunft an das Unternehmen zu binden, wenn es sich hierbei lediglich um einen Nebenzweck handelt, welcher den Hauptzweck (Abgeltung der Arbeitsleistung im abgelaufenen Geschäftsjahr) zumindest nicht überlagert.
- Bei der Rückstellungsbildung können wertauffallende Umstände, die spätestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang aufzustellen gewesen wäre, bekannt wurden, berücksichtigt werden. Soweit die bei der Festsetzung von Mitarbeiterboni berücksichtigten Kriterien (Wachstumsdynamik, Auftragsbestand, Ertragsentwicklung, Finanzlage) auf die Bilanz und den Geschäftsbericht eines Geschäftsjahres fußten, handelt es sich um Umstände, die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits vorlagen, aber erst im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Bilanzerstellung bekannt wurden.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bildung einer Rückstellung für Mitarbeiterboni im Streitjahr 2014.
Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom xx.xx.19xx gegründete und im Handelsregister des Amtsgerichts … unter … eingetragene GmbH („A. GmbH”). Unternehmensgegenstand ist […]
Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war im Streitjahr die im Handelsregister des Amtsgerichts … unter HRB … eingetragene B. GmbH mit Sitz in …. Deren Gesellschafter waren … Mit dieser Gesellschaft als Organträgerin bestand im Streitjahr aufgrund eines im Handelsregister eingetragenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags eine ertragsteuerliche Organschaft zu der Klägerin.
Die Klägerin praktizierte ein System, durch welches sie ihren Arbeitnehmern nach Ablauf eines Geschäftsjahres Mitarbeiterboni unter Berücksichtigung des Erfolgs des vorangegangenen Geschäftsjahres auszahlte, ohne dass hierüber schriftliche Verträge mit den jeweiligen Arbeitnehmern gefasst worden waren. Bereits am xx.xx.2000 verfasste der Geschäftsführer der Klägerin eine E-Mail an alle Mitarbeiter, in der er formulierte: …
Seit dem Jahr 2007 wurde der Mitarbeiterbonus fortentwickelt. Neue Mitarbeiter der Klägerin erhielten bei ihrer Einstellung eine „Information”, in deren Abschnitt 6 ausgeführt ist:
”6.4 Jahresbonus
Für Jahre mit gutem Geschäftsverlauf und guter Perspektive zahlt A. im Frühjahr des folgenden Kalenderjahres einen Bonus an die Mitarbeiter. […]
Beim Bonus handelt es sich um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch.”
Die vorstehende Regelung galt auch im Streitjahr und in den Vorjahren. Die Klägerin zahlte in den Vorjahren, im Streitjahr und in den Folgejahren in folgender Höhe Mitarbeiterboni an ihre Angestellten aus (jeweils in Tausend €):
2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | |
Jahresüberschuss vor Boni | -360 | 1.870 | 3.673 | 3.476 | 2.070 | 2.850 | 5.718 | 4.695 |
Mitarbeiterboni | 0 | 0 | 513 | 299 | 173 | 307 | 608 | 522 |
in % des JÜ vor Boni | 0,0 | 0,0 | 14,0 | 8,6 | 8,4 | 10,8 | 10,6 | 11,1 |
Mit E-Mail vom xx.xx.2015 informierte der Geschäftsführer der Klägerin die Arbeitnehmer der Klägerin wie folgt:
„Liebe Mitarbeiter/innen,
der Jahresbonus für 2014 wird … % eines Monatsgehalts betragen. Die Auszahlung soll im März 2015 erfolgen. […]”
Ab März 2015 zahlte die Klägerin die Mitarbeiterboni für das Streitjahr 2014 in Höhe von insgesamt 307.354 € an ihre Angestellten aus.
Für das Streitjahr ermittelte die Klägerin ihren Gewinn durch Bestandsvergleich gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –. In ihrer am xx.xx.2015 aufgestellten Bilanz zum 31.12.2014 wies sie Sonstige Rückstellungen i.H.v. 405.210 € aus. Darin enthalten war eine Zuführung zur Rückstellung für Mitarbeiterboni i.H.v. 307.354 €. Dies entsprach 10,6 % vom Jahresüberschuss (vor Boni). Zugleich wurde die für das Vorjahr gebildete Rückstellung für Mitarbeiterboni i.H.v. 173.000 € aufgelöst wegen Verbrauchs. In ihrer für das Streitjahr eingereichten Körperschaftsteuererklärung erklärte die Klägerin ein Einkommen der Organgesellschaft vor Zurechnung an den Organträger i.H.v. … €. Der Beklagte veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO –.
Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung … (im Folgenden: GKBP) führte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für das Streitjahr durch. In ihrem Prüfungsbericht vom xx.xx.2017 führten die Prüfer unter Tz. 2.5 aus, die ausgezahlten Mitarbeiterboni dürften den Gewinn erst im Zeitpunkt der Auszahlung mindern. Eine gewinnmindernde Rückstellung im Wirtschaftsjahr vor der Auszahlung sei nicht zulässig, da noch keine wirtschaftliche Belastung eingetreten sei und die Grundsätze der Bilanzierung schwebender Geschäfte der Bildung einer Rückstellung entgegenstünden. Einer wirtschaftlichen Verursachung im abgelaufenen Wirtschaftsjahr stehe entgegen, dass der Anspruch der Arbeitnehmer von weiteren, erst in der Zukunft liegenden Vorbedingungen abhänge. Denn über die Höhe der Mitarbeiterboni werde durch den Geschäftsführer der Klägerin erst im Folgejahr und abhängig von der zukünftigen Gewinnsituation der Gesellschaft entschieden. Im Übrigen würden weder die Arbeitsverträge noch eine Betriebsvereinbarung einen Bonusanspruch vorsehen. Auch aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung ergebe sich kein derartiger Anspruch. Die gebildete Rückstellung sei daher i.H.v. 307.354 € gewinnerhöhend aufzulösen. …
Der Beklagte schloss sich der Auffassung der GKBP an und erließ am 24.11.2017 einen Änderungsbescheid gemäß § 164 Abs. 2 AO für 2014 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG. Darin stellte er das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft mit … € fest.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 19.12.2017 Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.10.2019 änderte der Beklagte die Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft auf … €. Hinsichtlich der Mitarbeiterboni verblieb er bei der von der GKBP gefassten Rechtsauffassung. Zur Begründung verwies er darauf, dass kein Rechtsanspruch seitens der Arbeitnehmer auf die Auszahlung der Mitarbeiterboni bestehe, und zwar weder aus Vertrag noch aufgrund „betrieblicher Übung”. So sei im Jahr 2010 überhaupt kein Bonus ausgezahlt worden. Zudem orientierten sich die freiwilligen Bonusleistungen nicht nur am Betriebsergebnis des abgelaufenen Wirtschaftsjahres, sondern auch an der jeweils zukünftigen Ertragslage.
Daraufhin hat die Klägerin am 20.11.2019 Klage erhoben. …
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte am 8.9.2020 einen Änderungsbescheid gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erlassen, mit dem er das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft unverändert mit … € festgestellt hat. Der Bescheid war gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig hinsichtlich einer hier nicht streitgegenständlichen Frage. …
Ihre Klage hinsichtlich der Mitarbeiterboni begründet die Klägerin damit, bei den Boni handele es sich um ein modernes Instrument zur Bindung von Fachkräften an das Unternehmen. Die Klägerin sei hierauf in besonderem Maße angewiesen, da sie eine marktführende Stellung in ihrem Segment innehabe. Mitarbeiterboni seien ein übliches Vergütungsinstrument auf dem wettbewerbsgeprägten Arbeitsmarkt zur Bindung von Mitarbeitern, welches zudem personal- und finanzwirtschaftliche Vorteile biete.
Das Modell der Mitarbeiterboni gehe bereits auf das Geschäftsjahr 19xx zurück und sei im Zeitraum von 1999 bis 2007 durch den Versand regelmäßiger Informations-E-Mails und durch die Auszahlung der Boni konkretisiert worden. Exemplarisch werde auf die E-Mail des Geschäftsführers vom xx.xx.2000 verwiesen. Seit dem Geschäftsjahr 2007 bis heute werde die Zahlung der Mitarbeiterboni zudem nach außen kommuniziert. Auf der Homepage der Klägerin werde die verbindliche Regelung von anlassbezogenen Zuwendungen … und von Boni erläutert. Darüber hinaus erhalte jeder neue Mitarbeiter bei der Einstellung eine „Information”, die unter Abschnitt 6.4 detaillierte Regelungen zum Mitarbeiterbonus enthalte. Neben diesen Informationen werde die Höhe der Mitarbeiterboni jedes Jahr auch durch eine E-Mail des Geschäftsführers erläutert, für das Streitjahr mit E-Mail vom xx.xx.2015. Das Konzept der Mitarbeiterboni sei etabliert und seit 19xx in jedem Jahr durchgeführt worden. Die Boni würden lediglich dann nicht ausgezahlt, wenn ein Verlust erwirtschaftet worden sei, so im Geschäftsjahr 2009. Für das Geschäftsjahr 2010 sei entgegen der Darstellung des Beklagten eine Auszahlung vorgenommen worden, allerdings verspätet und zusammen mit der Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2011.
Die Höhe der Mitarbeiterboni betrage ca. 10 % des EBIT der Klägerin. Wenn dieser Wert nicht exakt erreicht werde, sei dies durch den Zeitpunkt der Berechnung der Boni sowie durch die Glättung der Bonuszahlungen begründet. Regelmäßig im Februar des Folgejahres werde die Höhe der Boni festgelegt, also vor Feststellung des endgültigen Jahresabschlusses. Die Festlegung geschehe innerhalb des Wertaufhellungszeitraums. Der festgelegte Gesamtbonus werde auf alle Mitarbeiter, die nach einer Mindestzugehörigkeit zum Unternehmen bezugsberechtigt seien, entsprechend ihrer Gehaltshöhe für das abgelaufene Geschäftsjahr verteilt. Die Gehaltsabrechnungsdaten würden regelmäßig im März des Folgejahres erzeugt.
Die Bildung einer Rückstellung in der Bilanz des abgelaufenen Geschäftsjahres, für welches die Boni gezahlt würden, sei zulässig, und zwar als Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des Handelsgesetzbuches – HGB –. Es handele sich um eine hinreichend konkretisierte faktische Leistungsverpflichtung. Für die Bildung der Rückstellung genüge eine hinreichend wahrscheinliche Entstehung der Verbindlichkeit. Das sei bei den regelmäßig gewährten Mitarbeiterboni der Fall. Wenn das Geschäftsjahr erfolgreich mit Gewinn abgeschlossen worden sei, sei mit einer Auszahlung der Mitarbeiterboni ernsthaft zu rechnen. Aufgrund der Regelmäßigkeit der Gewährung der Boni müsse sogar von einer „betrieblichen Übung” im arbeitsrechtlichen Sinne ausgegangen werden. Dem stehe der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht entgegen, da die Mitarbeiterboni im Laufe der Jahre als festes Vergütungsinstrument etabliert worden seien. Die Verpflichtung sei auch vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht worden, da die Verpflichtung bereits im Streitjahr verwirklicht worden sei. Das auslösende Moment für die Entstehung der Verpflichtung sei allein die jeweilige Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im abgelaufenen Geschäftsjahr. Es bestehe kein wirtschaftlicher Zusammenhang zu künftigen Tätigkeiten, weswegen auch kein schwebendes Geschäft vorliege.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2022 hat die Klägerin vertiefend vorgetragen, der Freiwilligkeitsvorbehalt, unter dem die Mitarbeiterboni stünden, bedeute lediglich, dass in einem Verlustjahr kein Bonus gezahlt werde. Er bedeute aber nicht, dass in einem Gewinnjahr sich die Gesellschaft vorbehalten wolle, keinen Bonus auszuzahlen. Vielmehr ergebe sich aus dem Wortlaut des Satzes 1 des Abschnitts 6.4 aus der „Information”, dass bei gutem Geschäftsverlauf und guter Perspektive stets ein Mitarbeiterbonus gezahlt werde. Der darauf folgende Freiwilligkeitsvorbehalt sei sozusagen ein qualifizierter Freiwilligkeitsvorbehalt. Bei gutem Geschäftsverlauf liege tatsächlich eine rechtliche Bindung vor. Zudem habe es sich bei der E-Mail vom xx.xx.2015 lediglich um die Verkündung der Entscheidung gehandelt, dass ein Mitarbeiterbonus gezahlt werde. Die Höhe des Bonus habe erst zu diesem Zeitpunkt festgestanden. Dem Grunde nach sei aber bereits vorher klar gewesen, dass ein Mitarbeiterbonus ausgezahlte werde, da das Geschäftsjahr 2014 positiv verlaufen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG für 2014 vom 8.9.2020 in der Weise zu ändern, dass das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft um 307.354 € vermindert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung. Nach seiner Auffassung werden die Mitarbeiterboni nicht ausschließlich für Leistungen für das abgelaufene Geschäftsjahr gezahlt. Bei der Festlegung der Höhe der Boni lasse sich der Geschäftsführer der Klägerin auch von Überlegungen zur Wachstumsdynamik, zum Auftragsbestand, zur erwarteten Ertragsentwicklung und zur Finanzlage leiten.
Zudem bestehe keine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung der Mitarbeiterboni. In den von der Klägerin angeführten E-Mails und der „Information” für neue Mitarbeiter werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um freiwillige Zahlungen ohne Rechtsanspruch handele. Ansprüche der Mitarbeiter entstünden erst in dem Zeitpunkt, in dem der Geschäftsführer der Klägerin seine Entscheidung zur Höhe der Boni verkünde, im Regelfall im Februar des Folgejahres. Damit sei die Verbindlichkeit erst nach dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2022 hat der Beklagte vertiefend vorgetragen, es liege keine wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag 31.12.2014 vor. Zu berücksichtigen sei der Doppelcharakter der Mitarbeiterboni. Die Boni würden auch mit Zukunftsbezug gezahlt. Außerdem sei die Entscheidung des Geschäftsführers, die erst nach dem Bilanzstichtag getroffen worden sei, zu wesentlich. Der Geschäftsführer nehme dabei eine Prognose für die Zukunft vor.
Der Senat hat am 16.11.2022 eine mündliche Verhandlung, der Berichterstatter des Senats am 15.7.2021 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Gründe:
Die Klage hat Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin ist in Bezug auf den angefochtenen Bescheid für 2014 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG klagebefugt (§ 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Gem. § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG in der im Streitjahr anwendbaren Fassung werden das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt. Gem. § 14 Abs. 5 Satz 2 KStG sind die Feststellungen nach Satz 1 für die Besteuerung des Einkommens des Organträgers und der Organgesellschaft bindend. Diese durch Gesetz vom 20.2.2013 (BGBl I 2013, 285) eingeführte Regelung gilt gem. § 34 Abs. 9 Nr. 9 KStG in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung erstmals für Feststellungszeiträume, die nach dem 31.12.2013 beginnen, mithin im Streitjahr 2014.
Da Gegenstand des angefochtenen Feststellungsbescheids das Einkommen der Organgesellschaft – hier der Klägerin – ist, ist die Klägerin durch die Feststellung beschwert und damit klagebefugt i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO (vgl. BT-Drucks. 17/10774, Seite 20; Dorenkamp in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 Rz. 380; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 Rz. 1143; Olbing in Streck, KStG, 9. Auflage, § 14 Rz. 173; Müller in Mössner/Seeger, KStG, 3. Auflage, § 14 Rz. 765; ebenso R 14.6 Abs. 6 Satz 2 Körperschaftsteuer-Richtlinien zur Einspruchsberechtigung; a.A.: Neumann in Gosch, KStG, 4. Auflage, § 14 Rz. 529g, der nur in Ausnahmefällen eine Rechtsbehelfsbefugnis der Organgesellschaft sieht).
II. Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG für 2014 vom 8.9.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Bildung der Rückstellung für Mitarbeiterboni in Höhe von 307.354 € zu Unrecht versagt.
1. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs – HGB –, der als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung – GoB – gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auch bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer zu beachten ist (ständige Rechtsprechung, Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 6.2.2013 I R 8/12, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 240, 252, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2013, 686; vom 2.7.2014 I R 46/12, BFHE 246, 339, BStBl II 2014, 979; vom 8.11.2016 I R 35/15, BFHE 256, 253, BStBl II 2017, 768, Rz. 19), sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Ferner sind Rückstellungen gem. § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB zu bilden u.a. für im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten nachgeholt werden. Das Gesetz unterscheidet also zwischen Verbindlichkeitsrückstellungen gem. § 249 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. HGB, Drohverlustrückstellungen gem. § 249 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. HGB, für die zudem § 5 Abs. 4a EStG zu beachten ist, und Aufwandsrückstellungen gem. § 249 Abs. 1 Satz 2 HGB (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Auflage, § 5 Rz. 351). Für andere als die in § 249 Abs. 1 HGB bezeichneten Zwecke dürfen Rückstellungen nicht gebildet werden, § 249 Abs. 2 Satz 1 HGB.
Voraussetzung für die – im Streitfall einzig in Betracht kommende – Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. HGB ist nach der Rechtsprechung des BFH das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, deren Höhe zudem ungewiss sein kann, sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Zudem muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen (BFH-Urteile vom 29.11.2007 IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557, Rz. 38; vom 2.7.2014 I R 46/12, BFHE 246, 339, BStBl II 2014, 979; vom 8.11.2016 I R 35/15, BFHE 256, 253, BStBl II 2017, 768, Rz. 19).
Weitere Voraussetzung für die Rückstellungsbildung ist, dass die Entstehung der Verbindlichkeit wahrscheinlich ist. Wahrscheinlich ist das Entstehen einer Verbindlichkeit dem Grunde nach nur dann, wenn mehr Gründe dafür als dagegen sprechen; wenn also das Entstehen dem Grunde nach eher zu erwarten ist als das Nichtentstehen (BFH-Urteil vom 18.1.2007 IV R 42/04, BFHE 216, 340, BStBl II 2008, 956, Rz. 22). Dem Begriff des Wahrscheinlichen ist es wesenseigen, dass das, was als wahrscheinlich bezeichnet wird, das Übergewicht der Gründe („51 %”) für sich hat (BFH-Urteile vom 18.1.2007 IV R 42/04, BFHE 216, 340, BStBl II 2008, 956, Rz. 22; vom 8.7.1982 IV R 158/81, juris, Rz. 22; FG Münster, Urteil vom 1.10.2014 9 K 4169/10 K,F, EFG 2015, 933, Rz. 87). Diese Voraussetzung ist nicht nach den subjektiven Erwartungen des Steuerpflichtigen zu prüfen, sondern auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (BFH-Urteil vom 18.1.2007 IV R 42/04, BFHE 216, 340, BStBl II 2008, 956, Rz. 22; vom 27.11.1997 IV R 95/96, BFHE 185, 160, BStBl II 1998, 375, unter 1. der Gründe).
Des Weiteren setzt das Bestehen einer Verbindlichkeit den Anspruch eines Dritten im Sinne einer Außenverpflichtung voraus, die erzwingbar ist (BFH-Urteile vom 5.6.2014 IV R 26/11, BFHE 246, 160, BStBl II 2014, 886, Rz. 24; vom 8.11.2000 I R 6/96, BFHE 193, 399, BStBl II 2001, 570; vom 29.11.2007 IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557). Ausreichend ist dabei allerdings ein faktischer Leistungszwang, dem sich der Steuerpflichtige aus sittlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann, obwohl keine Rechtspflicht zur Leistung besteht (BFH-Urteile vom 5.6.2014 IV R 26/11, BFHE 246, 160, BStBl II 2014, 886, Rz. 24; vom 29.11.2000 I R 87/99, BFHE 194, 57, BStBl II 2002, 655; vom 10.1.2007 I R 53/05, BFH/NV 2007, 1102; FG Münster, Urteil vom 1.10.2014 9 K 4169/10 K,F, EFG 2015, 933, Rz. 87).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen im Streitfall die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für Mitarbeiterboni in Höhe von 307.354 € vor.
a. Zum Stichtag 31.12.2014 bestand die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach.
Der Beklagte hat allerdings zutreffend erkannt, dass den Arbeitnehmern der Klägerin aufgrund ihrer Arbeitsverträge kein Rechtsanspruch auf die Auszahlung der Mitarbeiterboni zustand. Die Regelungen für die streitgegenständlichen Mitarbeiterboni waren, worüber sich auch die Beteiligten einig sind, nicht in schriftlichen Arbeitsverträgen enthalten. Ob die Arbeitnehmer nach arbeitsrechtlicher Maßgabe aufgrund einer „betrieblichen Übung” einen Anspruch auf Auszahlung von Mitarbeiterboni hatten, erscheint angesichts des von der Klägerin ausgesprochenen Vorbehalts der Freiwilligkeit zweifelhaft (vgl. zur erforderlichen Vorbehaltlosigkeit: Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 13.5.2015 10 AZR 266/14, Neue Juristische Wochenschrift – NJW – 2015, 3326). Denn in Abschnitt 6.4 der „Information” für neue Mitarbeiter, welche die Klägerin auch noch im Streitjahr verwandte, wurde betont, dass es sich bei den Mitarbeiterboni um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch handele. Dieser Freiwilligkeitsvorbehalt wurde auch – anders als die Klägerin darstellt – ohne eine Einschränkung auf Verlustjahre formuliert. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen.
Nach der zitierten Rechtsprechung des BFH kann eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. HGB nämlich nicht nur dann gebildet werden, wenn eine Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit Sicherheit besteht und nur ihre Höhe ungewiss ist, sondern auch dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verbindlichkeit dem Grunde nach künftig entsteht, wobei zudem deren Höhe ungewiss sein kann. Im Streitfall liegt die zweite Alternative vor. Wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts, auf den der Beklagte hinweist, stand die Verbindlichkeit am Bilanzstichtag 31.12.2014 weder dem Grunde noch der Höhe nach mit Sicherheit fest. Dies verhindert jedoch nicht die Bildung der Rückstellung. Vielmehr war die künftige Entstehung einer Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Verbindlichkeit der Klägerin auf Auszahlung der Mitarbeiterboni (mehr als „51 %”) ergab sich im Streitfall aus der seit dem Jahr 19xx bestehenden ständigen Übung der Klägerin, Mitarbeiterboni ohne rechtliche Verpflichtung an die Mitarbeiter auszuzahlen. Nach dem Vortrag der Klägerin, welchem der Beklagte nicht entgegengetreten ist, zahlt die Klägerin bereits seit dem Geschäftsjahr 19xx Mitarbeiterboni aus. Aus der E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin vom xx.xx.2000 ergibt sich, dass für dieses Geschäftsjahr tatsächlich Mitarbeiterboni gezahlt wurden und dass dies bereits seit mehreren Jahren praktiziert wurde. Seit dem Jahr 2007 ergibt sich diese Praxis zudem aus Abschnitt 6.4 der „Information”, wonach den Mitarbeitern der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen Boni zugesagt werden. Nach Aktenlage hat die Klägerin in den Jahren vor dem Streitjahr (2011 bis 2013) tatsächlich stets Mitarbeiterboni ausgezahlt, und zwar i.H.v. 14 % des Jahresüberschusses vor Boni für 2011 und in Höhe von ca. 10 % des Jahresüberschusses vor Boni für 2012 und 2013. Dies waren 513.000 € für 2011, 299.000 € für 2012 und 173.000 € für 2013. Im Jahr 2009 unterblieb eine Auszahlung wegen des negativen Jahresüberschusses. Der Vortrag der Klägerin, dass die Boni für das Jahr 2010 nachträglich im Jahr 2011 gezahlt worden seien, erscheint angesichts des überdurchschnittlich hohen Auszahlungsbetrags für 2011 von 14 % des Jahresüberschusses vor Boni als glaubhaft. Vor diesem Hintergrund bestand am Bilanzstichtag 31.12.2014 eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin ihrer bisherigen ständigen Übung auch für das Streitjahr folgen würde, und aufgrund des erwarteten Jahresüberschusses Mitarbeiterboni auszahlen würde. Äußerlich erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Streitjahr beabsichtigte, von dieser ständigen Übung Abstand zu nehmen, sind für den Senat nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht substantiiert vorgebracht.
b. Die künftig entstehende Verbindlichkeit hatte ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag 31.12.2014.
Nach der Rechtsprechung des BFH muss hierzu der rechtliche und wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung in der Vergangenheit liegen, so dass die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt (BFH-Urteile vom 17.10.2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302; vom 8.9.2011 IV R 5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122, Rz 30, m.w.N.).
Im Streitfall sollten die Mitarbeiterboni in der Hauptsache die Leistungen der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr (dem Streitjahr) abgelten. Denn es handelte sich um ein zusätzliches Vergütungsinstrument neben dem Festgehalt oder anderen Gehaltsbestandteilen für das abgelaufene Geschäftsjahr. Der Zusammenhang zum abgelaufenen Geschäftsjahr ergibt sich aus der Anknüpfung an die Höhe eines Monatsgehalts (im Streitjahr … %) des abgelaufenen Geschäftsjahres in der E-Mail vom xx.xx.2015. Zudem ist in Abschnitt 6.4 der „Information” für neue Mitarbeiter ausgeführt, dass das Unternehmen „für Jahre mit gutem Geschäftsverlauf” im Folgejahr einen Mitarbeiterbonus zahle. Daraus ist ein Veranlassungszusammenhang mit der Arbeitsleistung der Mitarbeiter für das abgelaufene Geschäftsjahr zu erkennen. Der Geschäftsführer der Klägerin stellte in seiner E-Mail vom xx.xx.2000 die Mitarbeiterboni sogar als „Dank für den im abgelaufenen Geschäftsjahr erbrachten Arbeitseinsatz” dar.
Wenn die Mitarbeiterboni zudem dem Zweck dienten, die Mitarbeiter auch für die Zukunft an das Unternehmen zu binden, so hindert dies die Bildung einer Rückstellung für das Streitjahr nicht. Nach der Überzeugung des Senats handelte es sich hierbei lediglich um einen Nebenzweck, welcher den Hauptzweck der Abgeltung der Arbeitsleistung der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr zumindest nicht zu überlagern vermag. Die Klägerin hat hierzu erläutert, die Mitarbeiterboni stellten ein modernes Instrument zur Bindung von Fachkräften an das Unternehmen dar, auf welche sie in besonderem Maße angewiesen sei. Der Senat hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Darstellung. Die Mitarbeiterbindung erscheint dabei als ein positiver „Nebeneffekt” der Abgeltung der Arbeitsleistung des abgelaufenen Geschäftsjahres.
Dagegen kann der Beklagte nicht mit Erfolg vorbringen, es liege keine wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag 31.12.2014 vor, weil der Doppelcharakter der Mitarbeiterboni zu berücksichtigen sei und die Boni mit Zukunftsbezug gezahlt würden. Der Doppelcharakter, auf den der Beklagte zu Recht hinweist, löst keinen Automatismus in dem Sinne aus, dass aufgrund eines bestehenden Zukunftsbezugs keine wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag mehr vorliegen könnte. Vielmehr sind die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte und Zielsetzungen der Mitarbeiterboni zu gewichten. Im Streitfall überwiegt nach Auffassung des Senats der Veranlassungszusammenhang zu der Arbeitsleistung der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr.
c. Die Klägerin hat die Rückstellung für die Mitarbeiterboni auch der Höhe nach in nicht zu beanstandender Weise mit 307.354 € gebildet. Bei diesem Betrag handelt es sich um denjenigen, der im März 2015 tatsächlich an die Mitarbeiter der Klägerin ausgezahlt wurde.
Gegen die Höhe der Rückstellungsbildung spricht nicht, dass der genaue Betrag am Bilanzstichtag 31.12.2014 noch nicht vom Geschäftsführer der Klägerin festgelegt worden war. Vielmehr ergab sich die Berechnungsgrundlage erst aus der E-Mail vom xx.xx.2015. Auch die vom Geschäftsführer der Klägerin berücksichtigten Überlegungen zur Wachstumsdynamik, zum Auftragsbestand, zur erwarteten Ertragsentwicklung und zur Finanzlage, auf welche der Beklagte hinweist, waren am Bilanzstichtag noch nicht angestellt. Die fraglichen Überlegungen waren vielmehr erst im Zeitpunkt des Versands der E-Mail vom xx.xx.2015 abgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des BFH können jedoch bei der Rückstellungsbildung wertauffallende Umstände berücksichtigt werden. Hiernach richtet sich die Frage, ob das Bestehen oder Entstehen der Verbindlichkeit wahrscheinlich und die Inanspruchnahme hieraus zu erwarten ist, nach den objektiven Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags unter Berücksichtigung der bis zur Bilanzaufstellung – oder spätestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§§ 243 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB) aufzustellen gewesen wäre – bekannt werdenden wertaufhellenden Umstände (BFH-Urteile vom 16.12.2014 VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759, Rz. 24; vom 22.8.2012 X R 23/10, BFHE 238, 173, BStBl II 2013, 76). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind als „wertaufhellend” nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar wurden (BFH-Urteil vom 16.12.2014 VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759, Rz. 24).
Im Streitfall wurde die E-Mail vom xx.xx.2015 zeitlich vor der Aufstellung der Bilanz der Klägerin am xx.xx.2015 verfasst. Auch die weiteren vom Geschäftsführer der Klägerin bei der Festsetzung der Mitarbeiterboni berücksichtigten Kriterien (Wachstumsdynamik, Auftragsbestand, Ertragsentwicklung, Finanzlage) ergaben sich aus Umständen, welche vor der Aufstellung der Bilanz bekannt wurden. Da die genannten Kriterien auf die Bilanz und den Geschäftsbericht des Streitjahres fußten, handelt es sich auch um Umstände, die am Bilanzstichtag 31.12.2014 bereits vorlagen, aber erst im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Bilanzerstellung bekannt wurden.
3. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Bildung einer Rückstellung auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein schwebendes Geschäft vorgelegen hätte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dürfen Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden (BFH-Urteil vom 29.11.2007 IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557, Rz. 38). Dies gilt nicht nur für Drohverlustrückstellungen aus schwebenden Geschäften, die in Abweichung von der handelsbilanziell zulässigen Bildung gem. § 249 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. HGB steuerrechtlich nicht gebildet werden dürfen gem. § 5 Abs. 4a EStG, sondern für alle Arten von Rückstellungen.
Schwebende Geschäfte sind gegenseitige auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge, die hinsichtlich der vereinbarten Sach- oder Dienstleistungspflicht – abgesehen von unwesentlichen Nebenpflichten – noch nicht voll erfüllt sind (BFH-Beschluss vom 23.6.1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, Rz. 36). Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, weil während des Schwebezustands die (widerlegbare) Vermutung besteht, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Ein Bilanzausweis ist nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist oder aus diesem Geschäft ein Verlust droht (BFH-Beschluss vom 23.6.1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, Rz. 37). Ein solcher Erfüllungsrückstand liegt vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte (BFH-Urteil vom 29.11.2007 IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557, Rz. 39).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Wie unter II.2.b ausgeführt, sollten die Mitarbeiterboni in der Hauptsache die Leistungen der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr (dem Streitjahr) abgelten, wobei es sich um ein zusätzliches Vergütungsinstrument neben dem Festgehalt oder anderen Gehaltsbestandteilen handelte. Es lag also kein Schwebezustand in dem Sinne vor, dass beide Vertragsparteien die ihnen gebührenden Pflichten noch nicht erfüllt hätten. Vielmehr hatten die jeweiligen Mitarbeiter der Klägerin ihre arbeitsrechtlichen Pflichten für das abgelaufene Geschäftsjahr bereits vollständig erfüllt. Lediglich die Klägerin hatte ihre Gehaltszusagen noch nicht vollständig erfüllt, weil sie nur das Festgehalt und andere Gehaltsbestandteile ausgezahlt hatte, jedoch noch nicht die Mitarbeiterboni. Soweit die Mitarbeiterboni zusätzlich dem Zweck dienten, die Mitarbeiter auch für die Zukunft an das Unternehmen zu binden, so handelte es sich wie beschrieben lediglich um einen Nebenzweck – und mangels Rechtspflicht der Fortsetzung des Vertrags nicht einmal um eine Nebenpflicht im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung –, welcher nicht den Charakter eines schwebenden Geschäfts zu begründen vermag.
III. Die Entscheidung, dass der Beklagte die festzusetzenden und festzustellenden Beträge zu errechnen und mitzuteilen hat, folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 und 3 FGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO. Der Senat hat die gefestigte Rechtsprechung des BFH auf den Einzelfall angewandt.