Rechtsprechung

Zulässigkeit der Klageerhebung per Telefax

Verlängerung der Klagefrist durch unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung

Hinweis auf die Einreichung der Klage als elektronisches Dokument

Orientierungssatz:

  1. Die Erhebung einer Klage mittels Telefax genügt nicht den Anforderungen an ein elektronisches Dokument i.S.d. § 52a FGO.
  2. Eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung muss keine Belehrung über die Form des Rechtsbehelfs beinhalten.
  3. Die einer Einspruchsentscheidung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht – mit der Folge der Verlängerung der Klagefrist auf ein Jahr – unrichtig, wenn sie zur Form der einzulegenden Klage ausführt, dass diese „schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären ist“ und sich für die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung sowie für die verpflichtende Übermittlung elektronischer Dokumente auf einen Hinweis auf §§ 52a, 52d FGO beschränkt.

Tatbestand:

Streitig ist die Zulässigkeit der erhobenen Anfechtungsklage.

Die Klägerin wendet sich gegen den nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2018 vom 10.11.2021, mit dem der Beklagte (im Folgenden: das Finanzamt -FA-) die Besteuerungsgrundlagen wegen der Nichtabgabe der Steuererklärung geschätzt hat (steuerlicher Jahresüberschuss hiernach 17.000 Euro). Bereits zuvor waren die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuerfestsetzung 2018 wegen Nichtabgabe der Steuererklärung mit Bescheid vom 08.09.2020 geschätzt worden. Die gemeinsam mit der Umsatzsteuererklärung zur Einspruchsbegründung gegen die Umsatzsteuerfestsetzung am 11.02.2021 per Fax eingereichte Bilanz zum 31.12.2018 wies einen handelsrechtlichen Jahresüberschuss der Klägerin i.H.v. 14.546,32 Euro aus.

Das FA wies den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2018 mit Einspruchsentscheidung vom 10.02.2022 (Donnerstag) als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde laut Aufgabevermerk taggleich zur Post aufgegeben. In der der Einspruchsentscheidung beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung heißt es:

„Gegen diese Entscheidung kann Klage erhoben werden. Die Klage ist bei dem Finanzgericht Düsseldorf (Postfach 102353, 40014 Düsseldorf oder Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf) schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären. Sie ist gegen das Finanzamt A-Stadt zu richten.

Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem diese Entscheidung bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass diese Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei Zustellung mit Zustellungsurkunde oder mittels Einschreiben mit Rückschein oder gegen Empfangsbekenntnis ist Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung; im Fall der Ersatzzustellung durch Niederlegung gilt bereits der Tag der Abgabe der schriftlichen Mitteilung über die Niederlegung als Tag der Zustellung. Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei dem oben bezeichneten Finanzamt innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, den angefochtenen Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Ihr soll eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung beigefügt werden.

Die Klageschrift soll in zweifacher Ausfertigung eingereicht werden, dies gilt nicht, wenn die Klage als elektronisches Dokument eingereicht wird. Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO.

Nähere Informationen zur elektronischen Übermittlung erhalten Sie im Internet unter www.justiz.nrw.de.“

Mit Klageschrift vom 14.03.2022 (Montag) hat die Klägerin, vertreten durch die Rechtsanwälte Z als Prozessbevollmächtigte, Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung bei dem Finanzgericht Düsseldorf erhoben. Die Klageschrift, die taggleich um 17:38 Uhr per Telefax bei Gericht einging, endet mit der maschinenschriftlichen Wiedergabe des Namens des Partners der Prozessbevollmächtigten „Y“ sowie darunter „Rechtsanwalt“ und ist mit einer handschriftlichen Unterschrift von Herrn Y versehen, der bei der Rechtsanwaltskammer B-Stadt als Rechtsanwalt zugelassen ist.

Mit Schreiben des Gerichts vom 17.03.2022 wurde der vertretenen Klägerin mitgeteilt, dass die Klageschrift vom 14.03.2022 entgegen § 52d Satz 1 FGO nicht elektronisch eingegangen und dadurch nach derzeitigem Stand nicht zulässig erhoben sei. Ihr wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Am 29.03.2022 reichte die Klägerin, erneut vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, die Klageschrift vom 14.03.2022 als elektronisches Dokument über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) von Herrn Rechtsanwalt Y als Absender bei Gericht ein. Mit Schriftsatz ebenfalls vom 29.03.2022 teilte die Klägerin unter Bezugnahme auf das gerichtliche Schreiben vom 17.03.2022 mit, dass die Klage mit der nunmehr erfolgten Einreichung der Klageschrift mittels beA noch immer fristgemäß erhoben worden sei, da die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung vom 10.02.2022 keinen Hinweis auf die elektronische Einreichung enthalte. In der Rechtsbehelfsbelehrung werde lediglich ausgeführt, dass die Klage schriftlich oder elektronisch oder zu Protokoll des Urkundsbeamten zu erklären sei. Demnach sei die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft. Rein vorsorglich werde die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Weitere Ausführungen, insbesondere zu Wiedereinsetzungsgründen oder vorübergehenden technischen Fehlern im System des elektronischen Rechtsverkehrs, enthält der Schriftsatz vom 29.03.2022 nicht.

Die Klägerin wurde mit Schreiben des Berichterstatters vom 31.03.2022 darauf hingewiesen, dass die der Einspruchsentscheidung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung nach Auffassung des Gerichts nicht unrichtig sei, sie die gesetzlich vorgesehenen Mindestangaben enthalte und sie darüber hinaus zutreffend über die möglichen Formen der Klageeinreichung belehre. Zudem wies der Berichterstatter darauf hin, dass es den in § 52d Satz 1 FGO erwähnten Berufsgruppen und Organisationen obliege, sich über die für sie geltenden Formvorschriften zu informieren, und dass dies für Rechtsanwälte zwingend die Beachtung der elektronischen Form nach Maßgabe von § 52a Abs. 2 bis 4 FGO bedeute, auch wenn kein Hinweis auf die Vorschrift des § 52d FGO enthalten sei. In ihrer Stellungnahme mit Schriftsatz vom 21.04.2022 bekräftigte die Klägerin ihre Auffassung, dass die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung vom 10.02.2022 fehlerhaft sei. Der schlichte Hinweis auf eine elektronische Übermittlung sei nicht mehr ausreichend. Dies sei in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung mit Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Schleswig-Holstein (Beschluss vom 06.05.2021 L 6 AS 64/21 B ER) entschieden worden, wonach eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft sei, wenn sie zwar auf die Übermittlung des Rechtsbehelfs über das besondere Anwaltspostfach hinweist, dies jedoch mit der Einschränkung versehen ist, dass nur bevollmächtigte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte den Rechtsbehelf über das besondere Anwaltspostfach einlegen können. Das LSG Schleswig-Holstein sei zu der Erkenntnis gekommen, dass die „Einschränkung“ mit dem Wort „nur“ bereits die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft gemacht habe. Denn es ergebe sich im Umkehrschluss und in Widerspruch zu der Rechtslage, dass ein Widerspruch im Übrigen nur schriftlich oder zur Niederschrift möglich ist. Unter Verweis auf den Aufsatz von Müller in Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2018, 207 („Die neuen Formvorschriften im elektronischen Rechtsverkehr ab dem 1.1.2018“) sieht die Klägerin ihre Auffassung zudem in der Fachliteratur bestätigt, dass zumindest im Sozialrecht der schlichte Hinweis auf die elektronische Form nicht mehr ausreiche. Vielmehr sei vollständig zu belehren. Dies beinhalte sowohl einen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsbehelfs mittels EGVP und qualifizierter elektronischer Signatur, als auch die Nutzung sicherer Übermittlungswege. Die Klägerin sieht zudem eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung, weil bei einem Rechtsanwalt, der als Privatperson Empfänger der Einspruchsentscheidung gewesen wäre, die Rechtsbehelfsbelehrung ausreichend sei, während die Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig wäre, wenn er in seiner Eigenschaft als Anwalt Empfänger der Einspruchsentscheidung wäre. Auch für den Steuerpflichtigen beständen Unklarheiten, da ihm nicht aufgezeigt werde, dass im Falle der Einschaltung eines Prozessvertreters Besonderheiten beständen und hierdurch eine Fristversäumung nicht ausgeschlossen sei, da der Steuerpflichtige im Rahmen der Rechtsbehelfsbelehrung keine Kenntnisse über die Besonderheiten bei der Beauftragung eines Bevollmächtigten erhalte.

Unter dem 05.05.2022 hat die Klägerin die Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen für 2018 elektronisch an das FA übermittelt und hierin ausgehend von einem handelsrechtlichen Jahresüberschuss laut der nunmehr eingereichten Bilanz für das Streitjahr i.H.v. 3.837 Euro einen steuerlichen Jahresüberschuss von 6.020 Euro erklärt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 10.11.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.02.2022 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Besteuerung die Besteuerungsgrundlagen entsprechend der unter dem 05.05.2022 eingereichten Körperschaftsteuererklärung zugrunde gelegt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Bearbeitung der eingereichten Steuererklärungen bis zu der Klärung der Zulässigkeit der Klage zurückgestellt und hält die Klage für nicht zulässig erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.

Die unter dem Aktenzeichen 7 K 504/22 K erfasste Klage vom 14.03.2022 und die am 29.03.2022 zunächst unter dem Aktenzeichen 7 K 848/22 K erfasste Klage wurden in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2022 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 7 K 504/22 K verbunden.

Gründe:

Die Klage ist unzulässig. Sie wurde zunächst innerhalb der Klagefrist nicht formgerecht und sodann formgerecht erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben. Wiedereinsetzungsgründe bestehen nicht.

1. Die mit Schriftsatz vom 14.03.2022 taggleich per Telefax erhobene Klage ist nicht wirksam erhoben worden. Der Klageschrift fehlt es an der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil sie nicht als elektronisches Dokument i.S.v. § 52a Abs. 1 und auch nicht den Vorgaben des § 52a Abs. 3 FGO folgend übermittelt worden ist. Zu einer Klageerhebung mittels elektronischen Dokuments war die fachkundig vertretene Klägerin verpflichtet.

a. Die Klageschrift ist am 14.03.2022 weder als elektronisches Dokument übermittelt noch mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder über einen sicheren Übermittlungsweg übertragen worden.

Nach § 52a Abs. 1 FGO können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden. Dabei bestimmt die Regelung des § 52a Abs. 1 FGO den Begriff des elektronischen Dokuments nicht selbst. Nach der Rechtsprechung genügt indes die Vornahme von Prozesshandlungen in mittels Telefax übermittelten Schriftsätzen nicht den Anforderungen, die § 52a Abs. 1 FGO an ein elektronisches Dokument stellt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 23.08.2022 – VIII S 3/22, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2022, 2951 und vom 27.04.2022 – XI B 8/22, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2022, 2082; Finanzgericht -FG- Münster, Beschluss vom 22.02.2022 – 8 V 2/22, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2022, 592; FG Köln, Urteil vom 19.05.2022 – 6 K 1883/21, EFG 2022, 1389; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.07.2022 – 9 K 9009/22, EFG 2022, 1665; Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 06.12.2018 – 4 K 1880/14, juris; vgl. auch Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2022 – I-12 U 61/21, NJW-RR 2022, 999 zu der inhaltsgleichen Vorschrift in § 130a Abs. 1 der Zivilprozessordnung -ZPO- sowie Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.11.2022 – 19 A 1860/22.A, juris, zu der inhaltsgleichen Vorschrift in § 55a Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-).

Der Senat teilt diese Rechtsauffassung und sieht die im Streitfall durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.03.2022 erhobene Klage für nicht wirksam erhoben an. Denn die eingereichte Klageschrift wurde lediglich mittels Telefax und damit nicht als elektronisches Dokument i.S.v. § 52a FGO übermittelt. Als solches wird nur eine Datei angesehen, die mit Mitteln der Datenverarbeitung erstellt, auf einem Datenträger aufgezeichnet werden kann und (bereits) in dieser Form maßgeblich ist. Dies trifft auf ein per Telefax übermitteltes Schreiben nicht zu (so ausdrücklich auch BFH-Beschluss vom 23.08.2022 – VIII S 3/22, NJW 2022, 2951). Dass die Vorschrift des § 52a FGO die Einreichungsform des Telefax nicht ausreichen lässt, verdeutlicht auch die Gesetzesbegründung zu § 130d Satz 2 ZPO als Parallelvorschrift zu § 52d Satz 3 FGO. Nach beiden Vorschriften besteht unter den weiteren und dort im Einzelnen genannten Voraussetzungen eine grundsätzliche Pflicht zur Nutzung elektronischer Dokumente. Dabei bleibt die Übermittlung „nach den allgemeinen Vorschriften“ trotz der grundsätzlichen Pflicht zur Übermittlung von elektronischen Dokumenten für die in den Normen genannten Berufsgruppen zulässig, wenn eine Übermittlung elektronischer Dokumente aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In der Gesetzesbegründung wird für diese sogenannte Ersatzeinreichung die Übermittlung durch einen Telefaxdienst als eine nach allgemeinen Vorschriften zulässige Einreichungsform benannt (BR-Drs. 818/12, S. 36). Aus dieser Benennung der Faxübermittlung als einer nach allgemeinen Vorschriften zulässigen Übermittlungsform ergibt sich, dass eine Faxübermittlung gerade keine Übermittlung eines elektronischen Dokuments darstellt und nur ersatzweise zulässig ist. Für den Streitfall folgt aus der Klageerhebung mittels des am 14.03.2022 per Fax übermittelten Schriftsatzes hiernach, dass die in ihm enthaltene Prozesshandlung der Klageerhebung nicht in der Form des § 52a FGO erhoben wurde.

Die Formunwirksamkeit der Klageerhebung am 14.03.2022 ergibt sich im Streitfall überdies auch aus der Nichtbeachtung der Vorgaben in § 52a Abs. 3 FGO. Nach dieser Norm muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 52a Abs. 4 FGO eingereicht werden. Die zur Klageerhebung am 14.03.2022 übermittelte Klageschrift erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Sie ist nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Vielmehr trägt die Klageschrift lediglich eine einfache Signatur, weil sie mit der maschinenschriftlichen Wiedergabe des Namens von Herrn Rechtsanwalt Y („Y„) und dessen handschriftlicher Unterschrift endet (vgl. zur Unterscheidung zwischen der einfachen Signatur und der qualifizierten elektronischen Signatur auch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts -BAG- vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476). Es handelt sich bei der Übermittlung per Telefax zudem nicht um einen sicheren Übermittlungsweg, da diese Übertragungsart nicht in der abschließenden Aufzählung der sicheren Übermittlungswege in § 52a Abs. 4 FGO enthalten ist.

b. Im Streitfall war die Klägerin zu einer Klageerhebung mittels elektronischen Dokuments verpflichtet. Die zwingende Notwendigkeit zu der Einreichung der Klageschrift als elektronisches Dokument folgt aus der Zugehörigkeit des für die Prozessbevollmächtigte der Klägerin handelnden Rechtsanwalts zu dem in § 52d Satz 1 FGO genannten Berufskreis der Rechtsanwälte sowie darüber hinaus auch aus § 52d Satz 2 FGO.

Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die bereits im Jahr 2013 in das Gesetz eingefügte Vorschrift des § 52d FGO ist zum 01.01.2022 in Kraft getreten (Art. 26 Abs. 7 in Verbindung mit Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, Bundesgesetzblatt I 2013, 3786) und sieht ab diesem Datum die für den genannten Personenkreis verpflichtende Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch Übermittlung elektronischer Dokumente ebenso wie in den anderen Gerichtsbarkeiten (§ 130d ZPO, § 14b des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit -FamFG-, § 55d VwGO, § 65d des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-, § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes -ArbGG-) vor.

Diese Vorgaben zugrunde gelegt bestand im Streitfall eine Pflicht zur Klageerhebung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments, weil es sich bei der Klageerhebung um eine gemäß § 64 Abs. 1 FGO schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten zu erklärende Prozesshandlung handelt und der für die Prozessbevollmächtigte der Klägerin handelnde Rechtsanwalt Y von der sogenannten aktiven Nutzungspflicht in § 52d Satz 1 FGO erfasst war. Aufgrund seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gehörte Herr Rechtsanwalt Y wegen der ausdrücklichen Nennung des Berufsstands der Rechtsanwälte in § 52d Satz 1 FGO zu dem von der Norm erfassten Personenkreis. Dabei ist es unerheblich, dass die Klägerin die Partnerschaftsgesellschaft „ Z „ und nicht ausschließlich den im Streitfall handelnden Rechtsanwalt mit der Klageerhebung beauftragt hat. Denn schon der insoweit eindeutige Wortlaut § 52d Satz 1 FGO knüpft einzig an Erklärungen und Anträge an, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, ungeachtet von der Bestellung einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten als Prozessbevollmächtigte. Maßgeblich ist einzig die Eigenschaft des handelnden Einreichers als zugelassener Rechtsanwalt, da andernfalls durch den Zusammenschluss von Rechtsanwälten zu einer Berufsausübungsgesellschaft die verpflichtende Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs entgegen des offensichtlichen gesetzgeberischen Willens umgangen werden könnte. Für den die Klageschrift einreichenden Rechtsanwalt bestand hiernach im Streitfall die Pflicht zur Beachtung der zwingenden Formvorgaben aus § 52d Satz 1 i.V.m. § 52a FGO, weil er die die Klageschrift einreichende Person war. Denn mit seiner Namenswiedergabe und Unterschrift unter dem Schriftsatz vom 14.03.2022 zeichnete er verantwortlich für die Klageerhebung. Aus diesem Grund ist bei der Anwendung von § 52d FGO auch nicht auf die von der Klägerin als Prozessbevollmächtigte bestellte Partnerschaftsgesellschaft abzustellen, weil diese gerade nicht einreichender Rechtsanwalt i.S.v. § 52d Satz 1 FGO war. Zwar kann die Partnerschaftsgesellschaft gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz -PartGG-) in der am 14.03.2022 maßgeblichen Fassung (a.F.) als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte beauftragt werden und sie ist nach Satz 2 der Vorschrift ebenso wie ihre Partner und Vertreter postulationsfähig. Diese Gleichstellung der Postulationsfähigkeit von Partnerschaftsgesellschaft und ihren Partnern ändert indes nichts daran, dass letztlich die Partner – wie ebenso von § 7 Abs. 4 Satz 2 PartGG a.F. vorgesehen – für die Partnerschaftsgesellschaft handeln und diese die für sie beachtlichen berufsspezifischen Vorschriften einzuhalten haben. Für die Beachtung von § 52d Satz 1 i.V.m. § 52a FGO ergibt sich hieraus, dass der für die Partnerschaftsgesellschaft handelnde Partner – sofern er als Rechtsanwalt zugelassen ist – zur Einreichung elektronischer Dokumente verpflichtet ist. Dies gilt auch ungeachtet der erst seit dem 01.08.2022 bestehenden Möglichkeit für aus Rechtsanwälten bestehende Partnerschaftsgesellschaften, sich gemäß §§ 59f Abs. 1, 59b Abs. 2 Nr. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) als rechtsanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften zuzulassen und hierdurch gemäß § 31b Abs. 1 BRAO ein beA zur Verfügung gestellt zu bekommen. Denn die Möglichkeit für rechtsanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften, ein beA eingerichtet zu bekommen und hierdurch über einen sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 52a Abs. 3 FGO zu verfügen, berührt nicht die jeden Rechtsanwalt aus § 52d Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 1 FGO treffende Pflicht zur Klageerhebung mittels elektronischen Dokuments.

Die Pflicht zur Klageerhebung mittels elektronischen Dokuments folgt für die vertretene Klägerin im Streitfall überdies auch aus § 52d Satz 2 FGO. Hiernach gilt § 52d Satz 1 FGO für die nach der FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO – ein beA oder ein vergleichbares Postfach – zur Verfügung steht. Der für die Klägerin als Partner der Prozessbevollmächtigten handelnde Rechtsanwalt war als solcher gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO zur Prozessvertretung kraft Zulassung zur Rechtsanwaltschaft berechtigt. Für ihn war auch ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO eröffnet, weil ihm aufgrund seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO ein beA zur Verfügung stand. Dass ein solches eingerichtet war, zeigt sich auch dadurch, dass die Klage letztlich am 29.03.2022 erneut über diesen Übermittlungsweg eingereicht wurde.

c. Im Streitfall war keine Ersatzeinreichung gemäß § 52d Sätze 3 und 4 FGO zulässig. Hiernach bleibt die Übermittlung eines als elektronisches Dokument zu übermittelnden Dokuments nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist (Satz 3). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist dann bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (Satz 4).

Die Klägerin hat eine technisch bedingte Unmöglichkeit der Übermittlung der Klageschrift als elektronisches Dokument am 14.03.2022 nicht behauptet. Dem Senat liegen auch anderweitig keine Hinweise vor, aus denen sich eine Störung im System des elektronischen Rechtsverkehrs an diesem Tag ergibt. Insbesondere enthält die „Störungsdokumentation beA“ der Bundesrechtsanwaltskammer keine Störmeldung für den 14.03.2022.

d. Der Verstoß gegen die Vorgabe in § 52d Satz 1 i.V.m. § 52a FGO führt zu der Unwirksamkeit der Klageerhebung am 14.03.2022 (vgl. BFH-Beschluss vom 23.08.2022 – VIII S 3/22, NJW 2022, 2951).

2. Eine wirksame Klageerhebung ergibt sich nicht durch Einreichung der Klageschrift als elektronisches Dokument am 29.03.2022. Diese Klageerhebung erfolgte außerhalb der regulären Klagefrist. Eine Verlängerung der Frist wegen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung scheidet aus.

a. Am 29.03.2022 war die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 10.11.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.02.2022 bereits abgelaufen.

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Klagefrist einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf.

Im Streitfall endete die Monatsfrist für die Klageerhebung mit Ablauf des 14.03.2022 (Montag). Dabei ist für den Fristbeginn der 14.02.2022 (Montag) als Bekanntgabetag der Einspruchsentscheidung zugrunde zu legen. Die vom 10.02.2022 (Donnerstag) stammende und laut Aufgabevermerk taggleich zur Post aufgegebene Einspruchsentscheidung gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und unter Berücksichtigung des den Fristbeginn gemäß § 108 Abs. 3 AO hinausschiebenden 13.02.2022 (Sonntag) als am 14.02.2022 bekanntgegeben. Hieraus ergibt sich bei einer Klagefrist von einem Monat als Fristende gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der Ablauf des 14.03.2022. Die Einreichung der Klageschrift am 29.03.2022 erfolgte erst nach diesem Tag.

b. Die Klagefrist verlängerte sich im Streitfall nicht nach Maßgabe von § 55 Abs. 2 FGO auf ein Jahr wegen einer Unrichtigkeit der der Einspruchsentscheidung beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung.

Nach § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe im Sinne des § 54 Abs. 1 FGO zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO).

§ 55 Abs. 1 FGO trifft keine Aussage dazu, ob eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung auch eine Belehrung über die Form des Rechtsbehelfs beinhalten muss. Im Hinblick auf die Nichterwähnung ist eine dahingehende Belehrung – anders als zu den anderen ausdrücklich genannten Modalitäten wie z.B. die Frist – deshalb nicht notwendig (vgl. zu einer Rechtsbehelfsbelehrung eines Finanzgerichts BFH-Beschluss vom 21.05.2021 – II S 5/21 (PKH), BFH/NV 2021, 1204; Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 172. Lieferung 9/2022, § 55 FGO Rn 8). Enthält die Rechtsbehelfsbelehrung indes Angaben über die Form, reicht es aus, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den jeweiligen Gesetzeswortlaut über die Form des Rechtsbehelfs wiedergibt (so für die Einspruchseinlegung nach § 357 Abs. 1 Satz 1 AO BFH-Beschlüsse vom 10.11.2016 – X B 85/16, BFH/NV 2017, 261; vom 20.11.2013 – X R 2/12, BStBl. II 2014, 236; vom 02.02.2010 – III B 20/09, BFH/NV 2010, 830). Ist eine dahingehende Belehrung über die Form aufgenommen worden, jedoch inhaltlich unrichtig, so ist dies zudem erst dann schädlich, wenn die unrichtige Angabe geeignet ist, einen Beteiligten von der Einlegung des Rechtsbehelfs abzuhalten (Leipold, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 270. Lieferung, 9/2022, § 55 FGO Rn. 35).

Insbesondere im Hinblick auf die Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs wird die dabei bedeutsame Frage, ob auf die Möglichkeit – aber auch auf die Pflicht nach § 52d FGO für den dort erwähnten Kreis sogenannter professioneller Einreicher – der elektronischen Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmitteleinlegung verwiesen werden muss, von der Rechtsprechung verneint. Eine Angabe über die Möglichkeit zur elektronischen Rechtsbehelfs- und Rechtsmitteleinlegung ist daher nicht erforderlich. Sofern dennoch darauf hingewiesen wird, reicht ein Hinweis auf § 52a FGO aus (vgl. aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung BFH-Urteile vom 05.03.2014 – VIII R 51/12, BFH/NV 2014, 1010 und vom 18.06.2015 – IV R 18/13, BFH/NV 2015, 1349; aus jüngerer Zeit auch BFH-Beschluss vom 21.05.2021 – II S 5/21 (PKH), BFH/NV 2021, 1204 über die einem FG-Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung für die Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde sowie FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.07.2022 – 9 K 9009/22, EFG 2022, 1665 mit dem Hinweis, dass die Pflicht zur Übermittlung elektronischer Dokumente für Rechtsanwälte seit dem 01.01.2022 eine essentielle Pflicht bei der gerichtlichen Vertretung darstellt und allein deshalb auch ein Hinweis auf § 52d FGO in einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht notwendig ist; für die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung siehe auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG – vom 25.01.2021 – 9 C 8/19, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht -NVwZ- 2021, 1061; s. ferner Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 172. Lieferung 9/2022, § 52a FGO Rn 4).

Nach diesen Maßgaben war die der Einspruchsentscheidung vom 10.02.2022 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig. Sie genügt den Anforderungen des § 55 Abs. 1 FGO, insbesondere auch im Hinblick auf die Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs. Denn die Rechtsbehelfsbelehrung enthält – obwohl schon nicht von § 55 Abs. 1 FGO gefordert – Angaben über die Form der einzulegenden Klage und belehrt dabei darüber, dass die Klage „schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären ist“. Für die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung enthält sie zudem einen Hinweis auf § 52a FGO und weist darüber hinaus für die verpflichtende Übermittlung elektronischer Dokumente auf § 52d FGO hin. Für nähere Informationen zur elektronischen Übermittlung wird überdies auch noch die Internetpräsenz der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen benannt. Durch diese Hinweise wird der Empfänger hinreichend über die zu beachtenden Formvorgaben unterrichtet. Dass die Hinweise, insbesondere auf die Vorschriften der § 52a und § 52d FGO, erst am Ende der Rechtsbehelfsbelehrung angebracht sind und nicht im räumlichen Zusammenhang zu den Formvorgaben zu Beginn der Rechtsbehelfsbelehrung, macht diese ebenfalls nicht unrichtig. Denn die Angaben sind dadurch trotzdem enthalten und bei sorgfältiger und vollständiger Lektüre der Rechtsbehelfsbelehrung erkennbar. Insbesondere braucht es über die Hinweise auf die einschlägigen Vorschriften über die Form auch deshalb keiner weiteren erläuternden Ausführungen, weil bereits die Erwähnung der Vorschriften über den vom Gesetz vorgesehenen Mindestinhalt einer Rechtsbehelfsbelehrung hinausgeht.

c. Soweit sich die Klägerin auf den Beschluss des LSG Schleswig-Holstein vom 06.05.2021 (L 6 AS 64/21 B ER, BeckRS 2021, 15597) beruft, ergibt sich hieraus kein anderes Ergebnis. Denn in der Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein wurde die dortige Rechtsbehelfsbelehrung deshalb als fehlerhaft angesehen, weil nach ihr „nur“ Rechtsanwälte einen Widerspruch elektronisch erheben konnten, woraus das LSG im Umkehrschluss folgerte, dass ein Widerspruch im Übrigen nur schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf genannten Stelle möglich ist und dass dies der Rechtslage widerspreche, weil auch Naturalparteien elektronisch Widerspruch einlegen könnten. Im Streitfall enthält die Rechtsbehelfsbelehrung in der Einspruchsentscheidung vom 10.02.2022 hingegen keine solche Einschränkung, wonach die Klageerhebung auf elektronischem Wege lediglich bestimmten Berufsgruppen vorbehalten sei. Vielmehr weist die Rechtsbehelfsbelehrung allgemein – und zutreffend – darauf hin, dass eine Klage „schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären ist.“ Im Hinblick auf die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch Rechtsanwälte verweist die Rechtsbehelfsbelehrung hingegen allgemein nur auf § 52d FGO. Dieser Verweis ist indes nicht geeignet, bei den nicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs Verpflichteten den Eindruck zu erzeugen, dass ihnen die Klageerhebung auf elektronischem Wege verwehrt ist.

Im Streitfall ergibt sich auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin in Bezug genommenen Ausführungen von Müller (NZS 2018, 207) kein anderes Ergebnis, wonach eine vollständige Belehrung über die elektronische Form zur Rechtsbehelfsbelehrung auch Hinweise auf die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsbehelfs mittels EGVP und qualifizierter elektronischer Signatur sowie auf die Nutzung sicherer Übermittlungswege erforderlich mache. Diese Auffassung ist durch die Rechtsprechung des BFH nicht gedeckt, weil es hiernach ausreicht, dass die Rechtsbehelfsbelehrung – sofern sie auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung verweist – die Angabe enthält, dass für den elektronischen Weg § 52a FGO gilt (BFH-Beschluss vom 21.5.2021 – II S 5/21 (PKH), BFH/NV 2021, 1204). Dass diese Rechtsprechung zu einer Rechtsbehelfsbelehrung in einem finanzgerichtlichen Urteil über die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ergangen ist, ist dabei unerheblich. Denn es bestehen im Hinblick auf den Umfang eines Hinweises auf § 52a FGO keine Unterschiede zwischen einer Rechtsbehelfsbelehrung in einer behördlichen Einspruchsentscheidung und einer Rechtsbehelfsbelehrung in einem finanzgerichtlichen Urteil, weil in beiden Verfahrenssituationen die Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs auf elektronischem Wege nach Maßgabe gerade derselben Norm – § 52a FGO – eröffnet ist. Es können deshalb auch keine unterschiedlichen Anforderungen an die Ausgestaltung und den Umfang eines Hinweises auf die elektronische Rechtsbehelfseinlegung gestellt werden.

3. Der Klägerin war auf ihren Antrag im Schriftsatz vom 29.03.2022 keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – im Streitfall Wiedereinsetzung in die Klagefrist – nach Maßgabe von § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren.

Nach § 56 Abs. 1 FGO ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Hierzu muss in formeller Hinsicht innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. FGO) nach Wegfall des zu der Fristversäumnis führenden Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind dabei innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (st. Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 05.05.2020 – XI R 33/19, BFH/NV 2020, 907).

Diesen Anforderungen ist die Klägerin im Streitfall nicht nachgekommen. Sie hat in dem Schriftsatz vom 29.03.2022 lediglich die „Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand“ beantragt, dies jedoch nicht weiter begründet und auch die für eine unverschuldete Fristversäumnis maßgeblichen Tatsachen weder benannt noch im folgenden Verfahren glaubhaft gemacht. Sie sind für das Gericht darüber hinaus auch nicht erkennbar.

4. Die unwirksame Klageerhebung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist dieser zuzurechnen. Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 1 ZPO wirken die von dem Klägervertreter im Rahmen der Vertretungsmacht vorgenommenen Prozesshandlungen unmittelbar für und gegen die Klägerin. Das Verschulden des Klägervertreters steht dem Verschulden der Klägerin gleich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6. Die Revision war nicht zuzulassen. Es liegen keine Revisionszulassungsgründe i.S.v. § 115 Abs. 2 FGO vor.

Finanzgericht Düsseldorf , 7-K-504/22-K
Urteil vom 23.11.2022

Weitere Artikel zum Thema

Anscheinsbeweis spricht bei Alleingesellschafter-Geschäftsführer trotz Nutzungsverbots für Privatnutzung
Welche Anforderungen gelten für die Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG?
Steuervorbescheide (Tax rulings): Die Gesellschaften multinationaler Konzerne in Belgien gewährten Steuervergünstigungen stellen eine rechtswidrige Beihilferegelung dar

Relevante Kategorien

AllgemeinGesellschaftsrechtRechtsprechungSteuerrechtSteuerstrafrechtVertragsrechtWirtschaftsstrafrecht